Mahnmal-Projekt-Leimen Erinnerung und Mahnung
 

Briefe

Untenstehend ist eine nach verschiedenen Orten und Themen jeweils chronologisch geordnete Liste der verfügbaren historischen Quellen einsehbar. Diese Zusammenstellung befindet sich im Aufbau und wird nach und nach ergänzt.

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Briefe aus Leimen vor der Deportation

xx.06.1938:
Karolina Mayer schreibt an ihre Kinder in Amerika.
02.01.1939:
Kurt Mayer schreibt an seine Geschwister in Amerika, Karolina Mayer und Selma Bierig ergänzen diesen Brief mit etlichen Zeilen.
xx.02.1939:
Karolina Mayer schreibt an ihre Kinder in Amerika.
17.04.1939:
Karoline Bierig schreibt aus Nußloch an ihre Tochter Gertrud.
01.04.1939:
Kurt Mayer schreibt an seine Geschwister in Amerika. Selma Bierig ergänzt diesen Brief mit einigen Zeilen.
20.05.1939:
Karolina Mayer schreibt an ihre Kinder in Amerika. Hugo Mayer ergänzt den Brief mit einigen Zeilen.
15.06.1939:
Karolina Mayer schreibt an ihren Sohn Kurt Mayer in England. Hugo Mayer und Selma Bierig ergänzen diesen Brief jeweils mit etlichen Zeilen.
15.06.1939:
Karolina Mayer schreibt an ihre Kinder in Amerika. Selma Bierig ergänzt diesen Brief mit etlichen Zeilen. Hugo Mayer schreibt separat auf einem Blatt zwei Seiten an seine Kinder.
25.07.1939:
Karolina Mayer schreibt eine Postkarte an ihre Kinder in Amerika. Hugo Mayer ergänzt eine Grußzeile.
xx.0x.1939:
Karoline Bierig schreibt an ihre Tochter Gertrud in England. Else und Guta Mayer (die Töchter von Albert Mayer, eines Cousins von Hugo Mayer) schreiben ebenso an Gertrud.
xx.08.1939:
Postkarte von Karolina Mayer aus Titisee im Schwarzwald an ihre Kinder in Amerika mit Zeilen von Selma Bierig.
30.08.1939:
Postkarte von Karolina und Hugo Mayer an ihre Kinder in Amerika mit Zeilen von Selma Bierig.
12.12.1939:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihren Sohn Kurt Mayer in England.
03.02.1940:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihre Kinder in Amerika. Selma Bierig ergänzt diesen Brief mit einer Grußzeile.
13.02.1940:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihre Kinder in Amerika. Selma Bierig fügt diesem Brief eine Grußzeile an.
29.04.1940:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihre Kinder in Amerika.
07.05.1940:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihre Kinder in Amerika.
xx.07.1940:
Karolina Mayer schreibt an Familie Ehrmann in Toms River und Selma Bierig ergänzt Grüße. (Der Brief ist nicht datiert. Geschrieben nach dem Tod von Oskar Ehrmann, möglicherweise im Juli 1940.)
xx.09.1940:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihre Kinder in Amerika. Selma Bierig eröffnet den Brief mit einigen Zeilen.

Briefe aus dem Lager Gurs

30.10.1940:
Karolina Mayer schreibt an ihre Kinder in Amerika.
31.10.1940:
Selma Bierig schreibt an ihre Schwester Gertrud Bierig in England mit Gruß von ihrer Mutter Karoline Bierig.
03.11.1940:
Karolina Mayer schreibt an ihre Kinder in Amerika.
30.01.1941:
Karoline Bierig und ihre Tochter Selma Bierig schreiben nach England an Gerturd Bierig.
14.02.1941:
Selma Bierig schreibt an ihre Schwester Gertrud in England.
18.02.1941:
Karoline Bierig schreibt an ihre Tochter Gertrud in England.
24.03.1941:
Selma Bierig und Karoline Bierig schreiben nach England an Gertrud Bierig.
28.05.1941:
Selma und Karoline Bierig, sowie Else und Guta Mayer (die Töchter von Albert Mayer, eines Cousins von Hugo Mayer) schreiben an Familie Ehrmann in Toms River.

Briefe aus dem Lager Noe

30.03.1941:
Karolina Mayer und Hugo Mayer schreiben an ihre Kinder in Amerika.
20.04.1941:
Karolina Mayer schreibt an ihren Sohn Kurt Mayer in England.
21.04.1941:
Hugo Mayer schreibt an seinen Sohn Kurt Mayer in England.
25.05.1941:
Karolina Mayer und Hugo Mayer schreiben an ihre Kinder in Amerika.
13.07.1941:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihren Sohn Kurt Mayer in England.
xx.08.1941:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an ihren Sohn Kurt Mayer in England.
19.10.1941:
Karolina und Hugo Mayer schreiben an Familie Metzger.
10.01.1942:
Karolina Mayer schreibt an ihre Kinder in Amerika und berichtet vom Tode Hugo Mayers.
06.07.1942:
Karolina Mayer schreibt an ihren Sohn Kurt Mayer in England. Paula Glück fügt einige Grußzeilen hinzu.
09.09.1942:
Karolina Mayer schreibt an ihren Sohn Kurt Mayer in England.

Briefe aus Manchester, England

14.06.1939:
Kurt Mayer schreibt aus London an seine Eltern in Leimen
24.06.1939:
Kurt Mayer schreibt an seine Schwester Friedel Ehrmann in Toms River, USA
06.10.1939:
Kurt Mayer schreibt an seine Schwester Friedel Ehrmann in Toms River, USA
16.01.1940:
Kurt Mayer schreibt an seine Schwester Friedel Ehrmann in Toms River, USA
19.02.1940:
Kurt Mayer schreibt an seine Schwester Friedel Ehrmann in Toms River, USA
15.06.1941:
Kurt Mayer schreibt an seine Schwester Friedel Ehrmann in Toms River, USA

Briefe aus New York, USA

01.07.1939:
Toni Bierig schreibt an Friedel Ehrmann in Toms River
10.01.1940:
Toni Bierig schreibt an Friedel Ehrmann in Toms River
22.06.1940:
Toni Bierig schreibt an Friedel Ehrmann in Toms River
25.11.1941:
Ellen Herz, geb. Metzger (Tochter von Fritz Metzger und Guta Hess, einer Nichte von Hugo Mayer) schreibt an Friedel Ehrmann in Toms River

Briefe aus Toms River, New Jersey USA

11.02.1942:
Gustav Mayer schreibt an seinen Bruder Kurt Mayer in England.
03.10.1942:
Gustav Mayer schreibt an seine Mutter Karolina Mayer in Noé.
17.10.1942:
Friedel Ehrmann schreibt an ihre Mutter Karolina Mayer in Noé.
17.10.1942:
Mina Ehrmann (die Schwester von Friedel Ehrmanns Mann Oskar Ehrmann) schreibt an Karolina Mayer in Noé.

Briefe aus Isére, Frankreich

03.01.1944:
Paula Glück schreibt an Kurt Mayer in England. Der Brief stammt wahrscheinlich in Wirklichkeit vom 03.01.1945.
20.06.1945:
Paula Glück schreibt an Kurt Mayer in England.
07.10.1945:
Paula Glück schreibt an Kurt Mayer in England.

Briefe aus Leimen nach Kriegsende

26.12.1947:
Wilhelm Hörner aus Nußloch schreibt an Familie Ehrmann in Amerika.
29.08.1951:
Kätchen Brandner schreibt an Friedel Ehrmann in Amerika.
25.02.1952:
Kätchen Brandner schreibt an Friedel Ehrmann in Amerika.
09.08.1953:
Kätchen Brandner schreibt an Kurt Mayer und seine Frau in Amerika.
06.01.1954:
Kätchen Brandner schreibt an Kurt Mayer und seine Frau in Amerika.
04.07.1954:
Kätchen Brandner schreibt an Friedel Ehrmann in Amerika.
12.01.1955:
Kätchen Brandner schreibt an Kurt Mayer und seine Frau in Amerika.
29.01.1956:
Kätchen Brandner schreibt an Kurt Mayer und seine Frau in Amerika.
20.05.1956:
Kätchen Brandner schreibt an Friedel Ehrmann in Amerika.
09.07.1956:
Kätchen Brandner schreibt an Friedel Ehrmann in Amerika.
06.04.1958:
Fritz Schilling schreibt an Friedel Ehrmann in Amerika und informiert sie über den Tod von Kätchen Brandner.


Briefe aus Leimen vor der Deportation

Brief aus Leimen vom 2.Januar 1939


Der Inhalt dieses Briefes wird untenstehend in Auszügen mit den wichtigsten Passagen wiedergegeben. Die Auslassungen sind mit "..." gekennzeichnet.

Kurt Mayer schreibt in einem Brief aus Leimen an seine Geschwister in Amerika am 2.Januar 1939:

„... Ihr könnt euch darauf verlassen, dass hoffen zur Zeit die größte Beschäftigung aller hiesigen Juden ist. Lieben Vaters großen Ausverkauf ist nun beendet und die finanziellen Arbeiten erledigt. Vorige Woche war großes Geld zahlen. Heute war ich mit liebem Vater im Garten, um unsere Rebstöcke abzuschneiden, die jetzt nicht mehr angebaut werden dürfen. … Freunde habe ich hier auch genug, obwohl ich weder zu jemand gehe, noch jemand anhalte. … Das Besuchsvisum habe ich Mal vorläufig fallen gelassen, wegen lieben Eltern werde ich noch diese Woche zur genauen Erkundigung nach Stuttgart fahren. … Ich selbst habe mich außerdem bei der Kinderverschickung beworben und außerdem um ein Visum nach Bolivien. Beides ist allerdings sehr unsicher. Mit meinem Besuchsvisum zu euch will ich auch noch etwas warten und bin nun auf England gespannt. Bierigs Trudel hat übrigens gestern bereits von dieser Dame die Zustimmung für ein Visum bekommen und so hoffe ich, dass es auch bei mir klappt. Ein Kerl wie ich muss doch meiner Ansicht nach überall durchkommen. Zudem war mein Brief und Lebenslauf stilistisch ein Meisterwerk moderner Briefschreibkunst und ich glaube der Erfolg wird nicht ausbleiben. Den Blödsinn, den ich hier schreibe, müsst ihr euch wegdenken. … Die Feiertage haben wir der Zeit entsprechend im engsten Kreis mit unseren Hausbewohnern gefeiert. Zum Feiern war aber weder Anlass noch Stimmung, bei mir wurde sogar durch den vorher gegossenen Kognak der Glühwein kalt. ...“

In diesem Brief schreibt Kurt Mayer (s.o.): "Bierigs Trudel hat übrigens gestern bereits von dieser Dame die Zustimmung für ein Visum bekommen und so hoffe ich, dass es auch bei mir klappt." Wir wissen heute, dass er tatsächlich ein Visum nach England bekommen hat und 1939 zusammen mit Gertrud (Trudl) Bierig nach England fliehen konnte. Gertrud Bierig stammte aus Nußloch und war neben Selma Bierig eine weitere Tochter von Karoline Bierig. Gertrud Bierig starb leider bereits 1942. Kurt Mayer ging nach dem Krieg 1947 nach Amerika.


Briefe aus dem Lager Gurs

Brief vom 30.Oktober 1940 aus dem Lager Gurs


Karolina Mayer schreibt aus dem Lager Gurs am 30.10.1940 an ihre Kinder in Amerika:

„Meine Lieben Alle! Wie ihr meine Lieben vielleicht schon erfahren sind wir seit Freitag nach 3 tägiger Fahrt hier und ... sind gesund und munter und haben vor allem gute Luft. Bitte Euch um Dauerware Lebensmittel. Es ging alles ganz rasch. Hoffe Euch alle gesund und macht Euch keine Sorgen. Viele herzliche Grüße. Mutter. Grüße von Vater und Sichers, Zivis und vielen Bekannten. Schreibt an mich auch wie es Kurt geht. Meine Anschrift ist: Camp de Gurs Ilȏt I Baraque 23 Basses Pyrenées (Bp) Grüsse Adelheid, Recha, Emy, Fritz Sicher“

In diesem Brief werden am Ende Grüße ausgerichtet von "Sichers". Damit sind Verwandte von Hugo Mayer gemeint, die ebenfalls im Lager Gurs waren, nämlich Recha Sicher und ihr Mann Fritz Sicher, die in Bruchsal lebten. Recha ist eine geborene Heß, aber der Mädchenname von Rechas Mutter ist Mayer. Emmy Sicher ist die Tochter von Recha und Fritz Sicher und wurde von Karlsruhe aus deportiert. Adelheid Heß ist eine Schwester von Recha Sicher, geb. Heß und wohnte wie ihre Schwester in Bruchsal.

Brief vom 31.Oktober 1940 aus dem Lager Gurs


Selma Bierig schreibt am 31.10.1940 aus dem Lager Gurs an ihre Schwester Gertrud in England mit einer Grußzeile von ihrer Mutter Karoline Bierig:

„Liebe Trudl! Nun ist Dein Wunsch erfüllt, wir sind seit Dienstag 22. X. von zu Hause fort und fühlen uns hier recht wohl. Wir kamen am 25. X. nach einer landschaftlich schönen Fahrt gut hier an. Wir haben jeden Tag herrlichen Sonnenschein und sind 800 - 1000 m hoch und haben schon Sonnenbrand. Karoline wohnt bei uns und Frau Dir. D. wohnt nebenan. Auch Tante Rosa, Else und Guta und Frau Bernheim wohnen in der Nähe. Wie geht es Dir und wo bist Du beschäftigt? Wir schrieben gestern an Toni und baten sie um Dauer-Lebensmittel und Geld. Sonst sind wir gut besorgt. In Kleider, Schuhe u.s.w. fehlt uns nichts, doch gibt es viele Leute die auch dies benötigen. Schade, dass das grosse Wasser dazwischen ist, sonst könnte uns Friedl gut Eier senden. Hörst Du als von Kurt? Nun ist unser Wunsch, dass wir bald mit Dir und Toni wieder vereint sind. Nun schreib uns bitte umgehend, sodass wir hören wie Dir’s geht u. sei für heute recht herzlich gegrüsst. Deine Sell Herzliche Grüße sendet Dir Deine Mutter. Es geht mir gut.
Unser Absender K. Bierig, Camp de Gurs, Ilȏt I Baraque 23. Basses Pyrenées (Bp.) L. Trudl! Hoffe Du bestes Wohl. Wenn möglich gebe Kurt Bescheid. Gruß u. Kuss.“

Dem Brief von Selma merkt man deutlich an, dass sie ihrer Schwester möglichst wenig Sorgen bereiten wollte, ja dass mit dieser Fahrt nach Gurs sogar ein Schritt in Richtung Ausreise gemacht wurde, was sich Gertrud gewünscht hat. Dass die Worte Selmas in diesem Sinne zu verstehen sind, dies wird durch eine weitere Aussage Selmas im Brief vom 03.11.1940 (siehe unten) ebenfalls deutlich. Dort schreibt Selma zum Schluss: „Nun sind wir Euch räumlich näher gerückt u. hoffen recht bald ganz bald bei Euch zu sein.“ Der obige Brief enthält die Namen Else, Guta und Frau Bernheim, die sich ebenfalls im Lager Gurs befinden. Dies sind die deportierten Juden aus Nußloch: Elsa Mayer (geb. 9.05.1890) und Guta Mayer (geb. 19.09.1896) aus der damaligen Friedrichstr. 6 in Nußloch waren die Töchter von Albert Mayer, eines Cousins von Hugo Mayer. Laut dem letzten Brief von Karolina Mayer aus dem Lager Noé vom 9.09.1942 kam dann Frau Bernheim (geb. 11.09.1859)1942 zu ihr ins Lager Noé.

Brief vom 03.November 1940 aus dem Lager Gurs


Brief von Karolina Mayer an ihre Kinder in Amerika vom 03.11.1940 mit Schlusszeilen von Selma Bierig:

„Liebe Kinder, l. Mina und Mutter! L. Toni wird Euch meine kurzen Zeilen übersandt haben und will Euch nun weiteres berichten. Wir sind 52 P. in unserer Baracke Oma, Sell und ich sind beisammen, meine Nachbarin ist Frau Fisch, geb. Sternweiler, Frau Durlacher und Dr. Bärs Mutter und Schwester, sowie Frau Barwitzki (?) welche unsere Scheffin ist und wirklich tüchtig kennt Ihr ja alle gut. Gestern sprach Matthes (?) Tante und Rositta ... mit Else und Frau Baruch (?). Sichers und Hilde sprechen alle Tage. Mittags ist es meistens so warm wie bei uns im Sommer und Nachts meistens sehr kalt auch hatten schon viel Regen und der Boden dann sehr schlüpfrig. Mit l. Vater habe einen Brief und Sachaustausch welcher ein kleiner Junge, dessen Mutter bei mir dessen Vater bei Vater ist besorgt. Bis jetzt haben wir uns einmal am Zaun gesprochen und war Vater voller Freude zu sehen daß es mir gut geht, auch Vater geht es ordentlich und soll Euch alle grüßen. Morgens haben Kaffe Mittags und Abends gute Suppe und gutes Brot. Es werden dauernt Verbesserungen gemacht und kann man jetzt bei der Cheffin Lebensmittel und sonstiges bestellen doch muß man mit dem bisschen Geld sehr haushalten und hoffen recht bald von Euch zu hören. Vielleicht kannst Du, l. Friedl, etwas Kakao, Tee und etwas Kandis, Milch und Marmelade und etwas Fetthaltiges für Brotaufstrich finden. Jetzt haben noch bisher Vorrat von zu Hause. Das beste wäre wenn wir bald zu Euch könnten. Was macht der kleine Charlie, er wird schon sitzen können, wie geht es Euch allen, hoffe Euch alle gesund. Noch viele herzliche Grüße und Küße von Eurer Mutter, Grüße an Ferdls ... und alle Bekannten dortan.
Hoffe dass es Euch gut geht, was auch von uns sagen kann. Nun sind wir Euch räumlich näher gerückt u. hoffen recht bald ganz bald bei Euch zu sein. Herzliche Grüsse an alle. Selma“

Der obige Brief vom 3.November 1940 spricht in der Anrede die Kinder, Mina und Mutter an. Mit den Kindern sind Gustav Mayer und Friedel Ehrmann, geb. Mayer gemeint. Mit "Mina" ist die Schwester von Oskar Ehrmann (Ehemann von Friedel), nämlich Mina Ehrmann (27.12.1882 - 28.10.1964) gemeint und mit "Mutter" ist die Mutter von Oskar Ehrmann, nämlich Helene Ehrmann (geborene Riechheimer, 24.09.1856 - 08.02.1942) gemeint. Im Brief schreibt Karolina, dass sich in der Baracke 52 Personen befinden und dass sie mit Oma und Sell zusammen ist. Damit sind Karoline Bierig und ihre Tochter Selma gemeint. Da Karoline Bierig die Stiefmutter von Karolina Mayer war, ist diese folglich für die Kinder von Karolina Mayer die Oma. Von den weiteren genannten Personen ist Frau Fisch hervorzuheben, die nach jetzigem Erkenntnisstand bis in das Lager Auschwitz hinein mit Karolina Mayer zusammenbleiben konnte. In der Datenbank von Yad Vashem findet sich dieser Eintrag zu Hermine Fisch, geb. Sternweiler.

Brief von Karoline und Selma Bierig aus dem Lager Gurs vom 30.Januar 1941


Der Inhalt dieses Briefes wird untenstehend in Auszügen mit den wichtigsten Passagen wiedergegeben. Die Auslassungen sind mit "..." gekennzeichnet.

„Liebe Gertrud! Mit grosser Freude erhielten wir heute, den 30. I. Deinen lieben Brief, sage Dir vielen Dank für Deine liebe Zeilen. ... Vor ungefähr 14 Tagen bekamen wir Geld geschickt, ich nehme an dass es von der lieben Toni ist. Geld braucht man hier viel denn wir kaufen uns immer noch um die Mahlzeiten zu vervollständigen. Von zu Hause durften je Person 100 Mark mitnehmen das wir in Franken umgewächselt bekommen. Unsere Kleider und Wäsche haben wir so ziemlich dabei, natürlich haben wir noch allerlei zu Haus gelassen. Else Guta (?) und die Leimtaler sind ganz in unsrer Nähe, Karoline ist bei uns in der Baracke. Die Männer sind auch hier nur in andern (?) und kommen diese alle paar Tage um ihre Frauen zu besuchen. Tante Toni ist noch zu Haus da nur die Juden aus Baden und Pfalz abgeschoben wurden. Der liebe Gott wird helfen dass wir auch von hier wieder weg können. Sei für heute herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Mutter.“

„Liebe Trudl! Wie wir uns gestern mit Deinem lb. Brief (vom 9.I.) gefreut haben, kannst Du Dir nicht vorstellen, wir dachten schon Du hättest unsre Karte nicht erhalten. Also recht herzl. Dank. Schreibe uns nur alle 14 Tage von jetzt ab, wir werden es auch tun, sodass wir immer auf dem Laufenden sind. ... Dass Du uns nicht glaubst, dass es uns den Verhältnissen nach gut geht u. gesund sind, was hier die Hauptsache ist, finde ich geradezu originell. Du meinst wohl, wenn man nicht mehr zu Hause ist, muss man krank sein? Dass lb. Mutter so kurz schrieb kommt nur daher, weil ich schon alles schrieb u. Du weisst sicher auch dass sie nicht gern schreibt. Heute kannst Du Dich sicher nicht beklagen. Bilder können wir Dir leider nicht schicken, da wir unsre neuen Passbilder zu Hause haben u. hier gibt es keine Photo, doch Bilder gäb’s alsmal schöne ...! Über Deine Bildchen haben wir uns sehr gefreut u. siehst Du wirklich gut aus. Mit unsrer Reise hierher ging das sehr schnell. Wir wurden morgens um ½ 8 Uhr geweckt, bekamen gesagt wir sollen packen u. wurden mittags mit dem Auto nach Heidelberg an den Zug gebracht. Da wir viel Zeit hatten, konnten wir fast alles packen, sodass wir hier wenigstens keine Kleider u. Schuhe kaufen brauchen. Mit unsrer Amerika Reise sind wir noch nicht weiter u. wissen auch nicht wenn es soweit sein wird. Von Toni bekamen wir vor 8 Tagen ein Telegramm wir sollen uns in Marseille registrieren lassen, was aber bereits von hier aus schon geschehen ist. Vor allem müssen die Bürgschaften erneuert werden, was ich lb. Toni schon schrieb. Weiter hiess es im Cabel, dass alles gesund sei u. dass ein Paket für uns unterwegs sei. Auf das freuen wir uns sehr, denn wir haben G.s.D. [Gott sei Dank] einen guten Appetit. Auch sandte sie uns vor 14 Tagen einen Geldbetrag und können wir den ebenfalls sehr gut gebrauchen, da wir hier fast alles kaufen können. Vor allem gibt es hier herrliche Datteln u. Feigen, so gut kannten wir sie früher nicht u. essen wir täglich welche. Ebenso bekommen wir eine wunderschöne Marmelade u. ist dies eigentlich ein Fehler, denn sie ist immer so rasch alle! Deine Grüße haben wir alle ausgerichtet u. werden erwidert. Direktors haben Glück gehabt sie sind seit ein paar Wochen in der Nähe in einer Stadt u. wird es von ihren Kindern von Südamerika aus bezahlt. Sophie ist noch hier, wir haben ihr Deine Bilder gezeigt u. hat sie sich sehr damit gefreut. Wenn Du wieder an Kurt schreibst, bitte ihn, mal an Karoline zu schreiben, sie hat dieselbe Adresse wie wir. Das darf er doch sicher? Seine Eltern haben schon seit April keine Post von ihm. Nun will schliessen. Nächstes mal erzähle Dir weiter von unserem Leben. Also sei für heute recht herzl. gegrüßt und geküsst von Deiner Sell.“

Hinweis zum Verständnis dieses Briefes: In obigem Brief wird die "liebe Toni" und die "Tante Toni" genannt. Mit der lieben Toni ist die Schwester von Selma (Sell) und Gertrud (Trudl) gemeint, das dritte Kind von Karoline Bierig. Toni Bierig konnte noch rechtzeitig nach Amerika fliehen und lebte in New York. Mit der Tante Toni ist Toni Baum, geborene Bierig in Wiesbaden gemeint, eine Schwester von Karoline Bierig.

Brief von Selma und Karoline Bierig aus dem Lager Gurs vom 14./18.Februar 1941


In diesem Brief schreiben zunächst Selma Bierig und danach ihre Mutter Karoline Bierig an Gertrud Bierig in England. Am Schluss des Briefes sind noch etliche Zeilen von Karolina Mayer angefügt. Aus den Briefzeilen sowohl von Karoline Bierig, als auch von Karolina Mayer geht hervor, dass Karolina und Hugo Mayer am 19. Februar 1941 vom Lager Gurs in das Lager Noé verlegt wurden:

„Liebe Trudl, Wie Dir versprochen, wollen wir nach 14 Tagen wieder etwas von uns hören lassen. Hoffentlich geht es Dir gut und kann dasselbe auch von uns sagen. Heute hatten wir eine grosse Freude wir bekamen von lb. Toni kleine Packchen geschickt und war das eine Butter, das andere Käse. Am Donerstag hatten wir schonmal eins mit Schockolade. Lb Trudl! Nun schreib ich schon zum drittensmal an diesen paar Zeilen immer war was anderes als ob wir wunder Weiss was zu tun hatten. Inzwischen ist der 16. geworden und übermorgen hast Du Geburtstag. Habe Du zwar schon neulich gratuliert, doch will es heute hier mit nochmals tun den ich weiss nicht ob Du den Brief durch lb. Toni erhältst. Also verbringe den Tag recht angenehm. Hast wohl wieder Einladung? Nun will Dir berichten wie ich Sylvester verbrachte. Es war fast in jeder Baracke was los und wir hatten freien Ausgang. Hugo lud mich ein so ging ich mit einem jungen Mädel dorthin und was meinst Du wer dort war? Herr Kirchbaum! Er begrüsste mich sofort und servierte uns selbstgebrauten Tee mit Waffeln. Überhaupt wurden wir wunderbar bewirtet selbstverständlich, tranken wir auch Glühwein. Auch Frau Kirchbaum war bei. Weisst Du überhaupt, dass er verheiratet ist? Da er in Ilot nebenan ist sehe ihn fast täglich, wusste nur nicht dass er in Hugo’s Baracke ist. Auch kommt er oft in unser Ilot, da seine Mutter bei uns in No. 24 ist. An Weihnachten war in unserer Baracke ein bunter Abend mit drei ausgezeichneten Künstler. Ein Sänger, ein Geig spieler und eine Tänzerin. Ich sage Dir es war ein Hochgenuss. Letzte Woche war ich in einem anderen Mäner Ilot in einem richtigen Konzert und war dies ebenso herrlich. Es wurde Schubert, Mozart und Beethoven gespielt. Du siehst es wird auch für unseren geistigen Hunger gesorgt. Schade, dass lb. Mutter nicht dabei war, das Wetter war ihr zu schlecht. Neulich besuchte uns Trude Bloch, die Tochter von den Leuten wo wir in Freiburg wohnten und war die Freude gegenseitig. Wir sollen sie unbedingt bald besuchen. Die Toms Riveren sind eine lahme Gesellschaft, denke die haben erst einen Brief geschrieben und wir haben von lb. Toni schon 4 und zwei Ueberweisungen und 5 Päckchen. Als Neuigkeit kann Dir mitteilen dass ich meine Haare wieder schneiden liess und trage es jetzt wieder der Einfachheit halber ganz kurz und glatt wie früher. Nun will für heute schliessen und hoffe recht bald von Dir zu hören. Also sei vielmals gegrüsst und geküsst von Deiner Sell. V.B. Heute, 18.II bekam Karoline ihren 2 Brief und schreiben alle sehr schön und gut.“

„Liebe Gertrud! Da heute Dein Geburtstag ist will ich mich ein wenig mit Dir unterhalten. Ich nehme an daß Du diesen Tag recht angenehm verbringst. L. Sell hat schon vor ein paar Tagen angefangen zu schreiben aber es ist immer etwas anderes und man kommt immer nicht dazu. Soeben komme ich von der Post und habe ein Päckchen von lb. Toni abgeholt, dieselbe hat uns schon fünf Päckchen schicken lassen, sie hat jedenfalls nach Lissabon Geld überwiesen und von da bekommen wir die Päckchen. Im ersten waren drei Tafeln gute Schokolade, dann ein Pfund Butter, div. Käse und heute war es eine schöne Wurst und Ölsardinen. Wir freuten uns sehr damit und können alles gut gebrauchen denn wir haben immer Hunger. Von lb. Toni bekommen wir regelmäßig Brief, wir bekamen gestern und heute ein Brief in dem heutigen war Dein Brief vom 16.11. darin erfreute mich sehr mit Deinen lieben Zeilen, auch war von Fr. Adler einer dabei. Diese schreibt auch immer schön. Ich bedaure nur daß lb. Toni so viel Arbeit hat wegen unseren Papieren und wir wissen noch nicht wann wir raus kommen. Morgen kommt Hugo und Karoline von hier weg angeblich in ein besseres Lage weil Hugo schon so alt ist. Wir müssen halt abwarten und sehen wie es weiter geht. Im allgemeinen haben wir ins Barackenleben gut eingewöhnt. Die Hauptsache ist wenn wir gesund bleiben. Damit wir wieder vereint beisammen sein können. Sei für heute herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Mutter. Liebe Gertrud habe eben Deinen Brief nochmals gelesen und kann Dir schreiben daß ich diesen Winter nur ganz kurz Husten hatte.“

„Liebe Gertrud. Es geht uns gesundheitlich noch allen gut, morgen werden nun leider von l. Mutter und Sell getrennt und wird uns nach langem Beisammensein besonders leid sein. Für l. Hugo ist es besonders gut daß ich ihn nun besser betreuen kann, er war in den letzten Tagen sehr verstimmt. Wir sollen nun tagsüber beisammen sein können. Hast Du von l. Kurt seither etwas gehört? Wenn er uns schreiben darf weißt Du unsere Adresse, wird uns jedenfalls nachgeschickt werden. So Gott will werden uns mal wieder in T.R. wiedersehen. Noch viele herzliche Grüße sendet Deine Karoline. Grüße mir Kurt und gratuliere ihm zu seinem 20ten Geburtstag von mir und Hugo am 3/III.“

Brief von Selma und Karoline Bierig aus dem Lager Gurs vom 24.März 1941 an Gertrud Bierig in England


„Liebe Trudl! Hoffe, dass es Dir gut geht was auch von uns G.s.D. sagen kann. Unser Telegramm wirst Du erhalten haben, sowie wir auch das Deinige erhielten. Unsere beiden Luftpostbriefe wirst Du hoffentlich inzwischen erhalten haben. Wir haben von Dir erst einen direkten Brief erhalten. Am Samstag bekamen wir durch lb. Toni Deinen lb. Brief vom 16. 12. Obwohl er schon überholt ist haben wir uns doch sehr damit gefreut und sagen Dir vielen Dank. Wie hast Du Dein Geburtstag verbracht? Hast Du wieder so schön gefeiert wie an Sylvester? Und was hast Du alles geschenkt bekommen? Schreibe uns immer recht ausführlich, wir interessieren uns für alles. Was habt Ihr für Wetter, hattet Ihr einen strengen Winter? Bei uns wechselt das Wetter sehr rasch und war deshalb nie so lange kalt. Jetzt haben wir schon 14 Tage den herrlichsten Sonnenschein und manchmal ist es so heiss, dass mir schon Sommerkleider trugen. Doch morgens und abends ist es meistens sehr kalt, sodass wir noch gut Feuer gebrauchen könnten. Habe ich Dir eigentlich schon geschrieben, dass wir geimpft wurden? Und zwar viermal, d.h. einmal geimpft für jedes Alter und war dies nicht schlimm. Dreimal hatten wir Spritzen bekommen (bis 45 Jahre) und habe ich bei der ersten eine Ohnmacht bekommen. Was sagst Du dazu? Doch es war nicht schlimm und erholte mich sofort. Natürlich habe ich die ganze Baracke erschreckt obwohl ich nicht umfiel, sondern sowieso im Bette lag. Lb. Trudle nun höre gut zu was ich Dir sage: bitte erkundige Dich ob Du an untenstehende Firma Geld senden kannst, welche dafür uns Lebensmittel schickt. Wir haben die Adresse auch lb. Toni mitgeteilt und sandte sie uns: Butter, Käse, Wurst, Ölsardinen und Schokolade. Dasselbe kannst Du uns auch schicken, doch musst Du’s der Firma schreiben und unsere Adresse mitteilen und dass alles in Pfundpäckchen geschickt wird. Wenn Du es von Deinem Gehalt nicht schicken kannst, vielleicht hast Du unter Deinen Bekannten ein oder der andere der ein mildes Herz hat?? Obwohl uns lb. Toni unterstützt reicht es nicht für unseren sooo guten Appetit. - Nun lb. Trudl lass bald und oft von Dir hören und sei für heute herzlich gegrüsst von Deiner Sell.
Die Adr. ist: Martime Trading Co. Lisboa Portugal Rua D. Pedro v. 53-4
Hoffe Du kannst die Adr. lesen. Maritime Trading co. Lisboa/ Portugal Rua D. Pedro v 53-4

Liebe Gertrud! Vielen Dank für Deinen lb. Brief den wir durch lb. Toni erhielten es freut mich Dein gutes Wohl daraus zu erfahren, von uns kann Dir gesundheitlich auch gutes schreiben. Von lb. Toni bekommen wir regelmäßig Brief und schreibt sie immer gut, sie ist sogar seit kuzem bei Gockel (?) beschäftigt u. ist sie froh darüber. Es tut mir leid, daß Du so lange nicht fahren kannst denn es wäre für Toni eine Erleichterung wenn Du sie mit unterstützen könntest, denn lb. Toni unterstützt uns mit Geld u. Lebensmittel. Vor ungefähr 14 Tagen haben Hugo’s einen Brief direkt von Kurt erhalten, aber diese sind nicht mehr hier bei uns sie sind ungefähr schon 4 Wochen woanders hingekommen und weiß von dem Inhalt nichts, ich denke daß es ihm gut geht. Hörst Du als was von Berthold? Tante Rosa ist auch von hier weggekommen. Lb. Sell hat Dir ja schon von unserem guten Appetit geschrieben u. wären wir sehr froh und dankbar wenn Du dies möglich machen könntest.
L. Gertrud Du möchtest immer gern Bildchen von uns haben, leider können wir dir diesen Wunsch nicht erfüllen da wir hier kein Geld u. auch keine Gelegenheit zum Photografieren haben und unsere letzten Paßbilder zu Hause ließen. Ich kann Dir aber versichern daß wir noch gut aussehen. Gestern war ich das erste mal in einem anderen Ilot u. besuchte die Karlsruher Karoline und hörte da, daß ihre Tochter Frieda für die Du damals die Stelle besorgtest seid einem Jahr verheiratet ist. Sie hat einen Witwer geheiratet und ist auch hier. Laß bald wieder gutes von Dir hören und sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Mutter.“

Brief von Selma und Karoline Bierig, sowie Else und Guta Mayer aus dem Lager Gurs vom 28.05.1941 an Familie Ehrmann in Toms River


Auf der ersten Seite schreibt Selma Bierig an Familie Ehrmann in Toms River:

„Meine Lieben Alle! Es ist gut, dass man einmal im Jahr Geburtstag hat, nicht wahr lb. Friedl? und so fall ich gleich mit der Tür ins Haus u. gratuliere Dir recht herzl. u. wünsche Dir alles Gute. Vor allem Gesundheit, was ja das höchste Gut ist. Hoffe, dass es Euch Allen gut geht, was von uns G.s.D. auch sagen kann. Letzte Woche hatten wir von lb. Toni Nachricht, dass sie die Papiere nun nach Marseille geschickt hat u. danken Dir vielmals für die Erneuerung. Hoffentlich klappen sie, so dass wir Dich lb. Friedl nicht nochmals belästigen müssen. Was unsere Ausreise betrifft, so werden wir trotzdem noch lange warten müssen. Was macht little Charlie? Toni schreibt es sei ein goldiges Kerlchen u. wollte ich, ich könnte ihn schon hüten. Wie geht es Oma u. Mina? Gust u. den lb. Buben u. allen anderen? Gestern hatten wir von Euren lb. Eltern Post u. geht es soweit ordentlich. Karoline schreibt von ihrem guten Appetit (den wir hier alle haben). Wir könnten alle mehr Geld u. Päckchen brauchen. Was macht die Farm? Wie viele Hühner habt ihr z.Zt.? Schade, dass ihr keine Eier, Butter u. Milch schicken könnt, dies alles könnten wir sehr gut gebrauchen. Ist Gust dieses Jahr wieder Bäcker? Schreibt uns doch auch mal einen grossen Brief, wir interessieren uns für alles. Vor 14 Tagen ist Frau Basnitzky nach Marseille abgereist u. denke ich, dass sie bald fahren kann. Ich gab ihr Deine Adresse lb. Friedl u. wirst Du sobald sie drüben ist von ihr hören. Auch wird sie Euch mal besuchen, sie geht nach Philadelphia. Ebenfalls schreiben u. besuchen Euch zwei Damen Dr. Hamburger die auch in Eure Nähe kommen und zwar schwimmen diese bereits 14 Tage schon. Es sind zwei hochgebildete, ältere Damen (Zwillinge 67 Jahre) die eine Frl. Dr. Professor u. war Lehrerin, die andere ein Frl. Dr. der Zoologie. Sie wollen voraussichtlich auch mal Sommerferien bei Euch verbringen. Ich hoffe ihr freut Euch mit Ihnen. Hatte ihnen Euer schönes Heim gezeigt u. waren sie ganz entzückt davon. Frau Basnitzky brauche wohl nicht zu schreiben, denn die hast Du ja vor mir gekannt lb. Friedel, nicht wahr? Nun lasst bald Gutes von Euch hören u. seid Alle und Ferdls recht herzl. gegrüsst von Euer Sell. Viele Grüsse auch an Herr und Frau Friedmann.“

Auf der zweiten Seite schreiben Karoline Bierig, sowie Else und Guta Mayer (die Töchter von Albert Mayer, eines Cousins von Hugo Mayer) an Familie Ehrmann in Toms River:

„Meine Lieben! Hoffe daß es euch allen gut geht u. kann von uns gesundheitlich auch guts schreiben, daß wir schon seit Febr. von Euren Eltern getrennt sind wird Euch bekannt sein jedoch sind wir in Briefwechsel u. haben gerade dieser Tage Nachricht von Ihnen gehabt. Eure Mutter intreßiert sich immer noch für verschiedene Baracken, Insaßen wir haben jetzt nur noch 29 Personen u. damals waren es 54. da zur Zeit die Baracken Öfen nicht brennen, haben findige Männer aus 5 Kilobüchsen praktische Öfchen hergestellt u. wird darauf jetzt fleißig frisch Gemüse gekocht. Zutaten nach dem Rezept man nehme so man hat, dies treiben im freien solltet Ihr mal sehen, auch Kaffee u. Tee wird natürlich darauf gekocht. Doch bekommt man für Letzteres heißes Wasser aus der Küche. Hier wechselt das Wetter sehr rasch, doch meistens ist es kühl u. Regen heute z. Beispiel ist es schön u. schreiben wir im freien. Höre von lb. Toni immer daß der kleine Charli gut gedeiht u. Euch viel Spaß macht, kann er schon laufen? Liebe Friedel zu Deinem Geburtstag gratulieren wir Dir herzlich u. wünsche Dir alles Gute ich hoffe daß wir zum nächsten bei Euch sein können. Sage Euch noch vielen Dank für die übersande Bürgschaft. Viele Grüße an Oma u. Mina sowie an die Jungens wo auch Gust mit eingerechnet ist auch für dich lb. Friedl herzl. Grüße Deine Oma

Liebe Friedel, zu Deinem Birthday meine innigsten Wünsche, u. ebenfalls die von l. Else. Uns geht es umstände entsprechend so leidlich. Ich habe augenblicklich einen Umlauf am Finger. Wie gehts dem kleinen? Von Deiner Mutter hatten wir dieser Tage Post u. geht es Deinen Lieben ebenfalls anständig. L. Mina wie geht es dir, was hattest Du Glück daß Du nicht mit dem letzten Zug mitgefahren bist. Was macht Deine l. Mutter, schreib uns doch mal ausführlich. Ihr könnt wenn es euch zu viel auf gewöhnlichem Weg befördern. Hast l. Friedl unseren Brief erhalten. ... (?) Hoffen daß Mama uns mal von zu Hause berichten mag. Von l. Mutter erfuhren wir daß unser ... (?) leer sei. Ja der alte Gott lebt noch! Vielleicht könnt Ihr uns auch mal behilflich sein, daß unsere Auswanderung mal perfekt wird. Also so mit uns mal ganz ausführlich wir sind so froh als mal von Euch zu hören. Mit herzlichen Grüßen an Euch alle
Eure Else u. Guta
Extra Grüße an Gust, Rolf u. Hans u. d. l. Ferdl's“

Hinweis: Selma Bierig schreibt in ihrem Brief, dass Post von Friedels Eltern angekommen ist. Dies belegt, dass es einen brieflichen Austausch zwischen dem Lager Gurs und dem Lager Noé gegeben hat, in das Hugo und Karolina Mayer im Februar 1941 verlegt worden waren. Daran knüpft auch Karoline Bierig in ihren Zeilen an und bestätigt ausdrücklich diesen Briefwechsel. Auch Else und Guta Mayer nehmen Bezug auf diese Post von Karolina Mayer aus dem Lager Noé.


Briefe aus dem Lager Noé

Brief aus dem Lager Noé vom 30.März 1941


Der Inhalt dieses Briefes wird untenstehend in Auszügen mit den wichtigsten Passagen wiedergegeben. Die Auslassungen sind mit "..." gekennzeichnet.

Karolina Mayer schreibt in einem Brief an ihre Kinder in Amerika aus dem Lager Noé am 30.März 1941:

„Eure beiden Briefe vom 6.2. erreichten uns beide letzte Woche und gleichzeitig kam auch noch ein direktes Briefchen von liebem Kurt an und freuten uns riesig von euch allen wieder Gutes zu hören. … es wird wohl noch nicht so rasch gehen bis wir zu euch kommen, denn wie ich bis jetzt höre, liegen viele Bürgschaften in Marsey und (es) geht alles sehr langsam, trotzdem die Passage gesichert ist, ohne diese man überhaupt kein Visum bekommt. … So Gott will, halten wir durch. Lieber Vater war die letzten Tage nicht ganz auf der Höhe, ist aber wieder besser, er ist immer so müde und abgeschlagen. Die Franzosen können uns leider zur Zeit nicht mehr bieten, da alles auf Karten geht. … Wünschen uns wieder wie anfänglich mehr Hülsenfrüchte und Nudeln. In der Kantine gibt es Mandel, Olive und Heringe, Kopfsalat und kleines Früchtebrot und sonstige Gebrauchsgegenstände und kostet viel Geld. Ich kann mich in alles viel besser einfügen wie lieber Vater. … Alle Nachmittag treffen Vater und ich uns in der Zusammenkunftshalle und vespern zusammen unser bescheidenes Mal. … Wenn dieser Brief bei euch eintrifft, wollt ihr uns gleich wieder Geld auf diesem Wege zusenden, da von euren Paketen noch nichts eintraf. … Lieber Vater ist nicht immer in guter Stimmung, ich kann dies nicht allen erzählen, zur Zeit ist er wieder besser gestimmt, da viele Post von euch kam. … Ich selbst bin immer beschäftigt, arbeite auch öfters in der Küche respektive Gemüse putzen. Gestern Abend hatten eine Stunde gemütlichen Abend. 2 Damen, einstige Schauspielerinnen gaben einige wunderschöne Rezitationen und Gedichte dar und soll es alle paar Wochen wiederholt werden, sonst verläuft ein Tag wie der andere. Um 7 Uhr aufstehen und um 9 Uhr muss alles im Bett sein, da meistens ein männlicher Engel nach uns sieht, ob wir alle brav zur Ruhe sind. … Um das eine Lavabo wird ein geschlossener Waschraum gemacht, war sehr erfreulich. … In Gedanken sind wir immer bei euch. Grüßt mir noch alle Verwandten und Bekannten dorten und seid ihr … noch herzlich gegrüßt und geküsst von eurer Mutter.“

Hugo Mayer schreibt in demselben Brief unterhalb der Zeilen seiner Frau Karolina aus dem Lager Noé am 30.März 1941:

„Liebe Kinder, Verwandte und Bekannte! Bei der Überlesung ihres Briefes werdet ihr ersehen, dass eure Mutter sämtliche Neuigkeiten … geschrieben hat und (ich) noch kaum was zu sagen habe…. meine größte Freude ist … nur die, von euch zu erfahren, dass es euch allen gut geht, gesund und munter seid und gut zusammen auskommt und mein einziger Wunsch ist nur euch alle liebe Kinder gesund zu treffen, zu sehen und zu sprechen … wenn es Gott will so wird es noch in Erfüllung kommen. Auch freut mich außerordentlich zu hören, dass es lieben Kurt gut geht und habe ordentlich Sehnsucht nach ihm!! … Bei mir und lieben Mutter geht es soweit ordentlich, obwohl ich schon sehr viel mitgemacht habe. Was ihr euch wohl denken könnt, aber es geht wieder etwas besser. Ihr Lieben, muss Schluss machen und gebt uns bald wieder Nachricht. Recht herzliche Grüße an Alle.“

Brief aus dem Lager Noé vom 20./21.April 1941


Karolina und Hugo Mayer schreiben aus dem Lager Noé am 20./21.April 1941 an ihren Sohn Kurt in England:

„Mein Lieber Kurt! Hoffe Dich jetzt im Besitze unseres Briefes welchen gleich nach Erhalt Deiner ersten Zeilen nach Deiner angegebenen Adresse sandten. Wir freuten uns sehr nun wieder von Manchester von Dir zu hören und gelangten Vaters u. mein Brief anfangs dieser Woche in unseren Besitz. Wie ich aus Deinen Zeilen entnehme, geht es Dir gesundheitlich gut, was die Hautsache ist u. an Unterhaltung u. Arbeit fehlt es Dir ja nicht.Von lb. Trudl ist es ja sehr schön, daß sie Dich so viel einladet. Es tat mir sehr leid als ich von Oma u. getrennt wurde da wir uns so zusammen eingelebt hatten. Hier bin nun auch im Kreise vieler lieber Menschen und haben auch eine nette Tischgesellschaft die mit mir als Teilerin gut zufrieden sind, da ich bestrebt bin allen gerecht zu werden wenn auch vorrübergehend mal eine meckert. An Arbeit fehlt mirs auch nicht habe immer zu nähen, stopfen, waschen extra doch könnte noch gut auch Deine Sachen besorgen, u. wäre es bestimmt gut wenn ich solche mal nachsehen könnte. Sind Dir Deine Sachen alle erhalten geblieben? Meine und Vaters Kleider haben hier u. werden wohl noch einige Zeit hierbleiben müssen. Ich selbst ertrage die hiesige Lebensweise gut u.habe noch nie besser ausgesehen wenn auch sehr mager bin, doch habe letztes Jahr alles abgenommen wo ich furchtbare Magengeschichten hatte. Auch hatte in letzter Zeit noch dort viele Aufregungen umsomehr da Vater sich mit Otto, Waldemar u. Lenz nicht gut stand, und sind seine Nerven nicht besser geworden, er ist so ungeduldig u. nimmt alles gleich so bös auf. In letzter Zeit war Vater viel im Bett u. ist gar nicht auf der Höhe. Er ist immer so müde, ist ihm kalt u. hat besonders Unbehagen im Magen u. vielmals keinen Appetit. Zu allem jetzigen kann er sich schlecht reinfinden. So Gott will wird es bald besser, daß unser Wunsch bald mit Dir u.den Lieben in T.R. vereint werden können. Leider haben in den letzten Tagen viel Trauriges vernommen. Am 26. III. ist Tante Elise verstorben. Sie war noch bei lb. Lili gewohnt und hat uns Alfred die traurige Nachricht übermittelt uns selbst l. Recha von Gurs aus u. jetzt bekommen wir von l. Guta die Nachricht daß Sicher am 8. IV. in Pau im Hospital getorben u. am11. IV. beigesetzt wurde. Lb. Recha ... u. Adelheide waren dort hatten durch Rabbiner dort Erlaubnis erhalten. Er hatte vereiterte Rippenfellentzündung u. war schon fast gut, so daß er in ein Sanatorium kommen sollte. Hast Du mit Ernst Joachim noch Briefwechsel? Er schreibt sehr fleißig seiner Mutter u. kann ihr auch etwas behilflich sein. Wenn es Dir möglich ist uns auch etwas behilflich zu sein, wäre es mir sehr recht denn ich muß besonders Vater immer noch etwas kaufen. Habe jetzt in unserer Kantine eine Thermosflasche bestellt. Eine Waschbutte hat mir l. Guta nebst Obst gesandt doch muß ich alles ersetzen, trotzdem freuten uns riesig, da noch von keiner Seite ein Päckchen erhielt und manche Leute so viele. Sie bekommen von Ellen aus USA noch Geld überwiesen. Schreibe Dir mal die Adresse: Frederic Metzger 36 rue Lecuelle Clermont-Ferrand P. D. Dôme. Von den Lieben in T.R. warten schon einige Tage Nachricht, glaubte zu Vaters Geburtstag am 15. /IV solchen zu empfangen. Charlie wird nun in 14 Tagen schon 1 Jahr alt, wir bekamen von ihm ein Bildchen wie ½ Jahr alt war u. scheint ein sehr starker Junge zu sein. Von Max Oppenheimer ist auch eine Tante bei mir Frau Östreicher u. bin mit ihr befreundet, war doch unser Vater mit ihrem Vater in Geschäftsverbindung. Neben Vater liegt ein Herr u. erfuhr er dieser Tage daß er ein Schwager von Onkel Moritz ist. Was macht auch Deine Frau Margot? Hanneliese ist ein besonders schönes ..., ist diese auch über 30? Nun bleibe weiter gesund und sei für heute herzlich gegrüßt u. geküßt von Deiner Mutter. grüße an lb. Trudl.

Lieber Kurt! Ich ersuche Dich ... äußerst inniglich in Zukunft etwas deutlicher zu schreiben. Sei mir aber nicht böse darüber.

Auch Du bist mein l. Kurt! Es freut mich außerordentlich Dir mein l. Kurt wieder einmal einige Zeilen schreiben zu können u. freute mich außerordentlich günstige Nachricht von Dir, l. Kurt, zu erhalten daß es Dir gesundheitlich wie auch in geschäftlicher Beziehung gut geht u. Du recht zufrieden bist. Es ist mein innigster Wunsch nur der daß wir uns wenn der liebe Gott es will nochmals gesund u. munter treffen u. sprechen können und zwar zusammen bei den Lieben in T.R. u. könnten Alle einmal mit dem Lieben Charlie u. anderen Lieben ohne Unterschied des .... zusammen sein u. ... wäre noch mein innigster Wunsch. Die Neuigkeiten die es hier gibt hat Dir die l. Mutter mitgeteilt und brauche ich Dir nicht nochmal auszuführen und könntest Du uns nur den Wunsch erfüllen uns des öfteren zu schreiben.. Daß Du Glück hattest auf Deine alte Stellung freute mich sehr, dies ein Beweis daß Dein Prinzipal mit Dir und Deinen Leistungen zufrieden war, als Beweis als Nachkommen Deines alten Vaters auf seine Stellungen welche heute noch stolz darauf ist u. die Ehrlichkeit ... gewahrt hat. Nun l. Kurt wirst Du oft über die Verhältnisse Brandner, Appel u. Nachbar gefragt haben u. wie unverschämt sich diese benommen haben fragst. Otto ... mir Ohrfeigen anboten daß ich denselben ... gekündigt habe......Wir wissen jetzt nicht ob wir noch mal nach Leimen fahren (Schwamm drüber) wir hoffen u. wünschen in Zukunft daß Allerbeste und Dir l. Kurt alles Gute was Du Dir selbst in Zukunft wünschst u. tue mir den Gefallen u. schreibe es öfter an uns. Wir l. Kurt erwarten schon längeren Tagen Brief ferner Pakete von den l. Geschwistern u. möglichst auch etwas Geld da unser Bestand zur Neige geht. – Als Neuigk. teile ich Dir mit daß ich einmal an J. Geiser u. Herr Kasse-Schmitt betr. Sendung geschrieben habe aber noch keine Antwort erhielt........ u. geben Dir als dann Bescheid. Für heute grüße mir herzlich Trudl u. alle Verwandte, Dein Chef und Familie ferner Deine liebenswürdigen Logisleute Daß es mir in letzter Zeit nicht besonders gut geht hat Dir l. Mutter erwähnt und liege bereits seit 6 Tagen wieder im Bett und geht es G.s.D. jetzt besser. Leide an Brustschmerzen. ...für heute sehr herzl. Gegrüßt u.tausendmal geküßt von Eurem Euch liebenden Vater.“

Erläuterungen zu diesem Brief aus dem Lager Noé vom 20./21.04.1941:
  • Karolina bedauert, dass sie durch die Verlegung von Gurs nach Noé von "Oma" getrennt wurde. Damit ist Karoline Bierig gemeint, die ja ihre Stiefmutter ist und daher für den angesprochenen Kurt die "Oma" ist.
  • Die Information von Karolina Mayer, dass sie eine Thermosflasche bestellt hat, bestätigt Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur, dass die Quäker und das Kinderhilfswerk (OSE) in den Internierungslagern Wärm- und Thermosflaschen verteilten [Anne Gynberg, Das Nimes-Komitee oder die Grenzen der Philanthropie, in: Jacques Grandjonc /Theresia Grundtner (Hg.), Zone der Ungewißheit, Exil und Internierung in Südfrankreich 1933 - 1944, Hamburg Februar 1993, Seite 482].


Brief aus dem Lager Noé vom 25.Mai 1941


Karolina und Hugo Mayer schreiben aus dem Lager Noé am 25.Mai 1941 an ihre Tochter Friedel Ehrmann in Toms River:

„Ihr Lieben Alle! --- schon 2 Monate keinen Brief von Euch --- der letzte vom 2. II datiert. Hoffentlich --- alles gesund und auch im Betrieb alles --- waren dieserhalb schon sehr beunruhigt. Wenn ich nachmittags mich mit Vater treffe, ist das erste Post gekommen. L. Charlie hat inzwischen seinen 1ten Geburtstag gehabt und bald jährt sich das traurige lieben Oskars. Von lieben Kurt hatten wir vor wenigen Tagen einen Brief aus Manchester worüber wir uns sehr freuten. Gestern kam ein 25 Worteschein vom Roten Kreuz vom 10. X. 40 nach langer Reise Leimen Gurs an womit er uns ein Lebenszeichen geben wollte. Am 10. dieses Monats haben das II te Geld 344 fr von Euch über Mareseille erhalten und waren sehr froh darüber und danken Euch vielmals. Paket ist leider noch nichts gekommen. Gott sei Dank sind wir beide gesund, lieber Vater geht es auch wieder ordentlich und hat sich besser in alles reingefunden. Liebe Oma, Sell, Else und Guta sowie die Bruchsaler sind noch in Gurs, Zivis alt und jung sind nach Marseille abgereist. Dass unsere Tante Elise am 20. III. und lieber Fritz am 8. IV. gestorben sind, habe Euch noch mitzuteilen, es war für liebe Recha ein harter Schlag. Nächstes mal mehr. Seid alle noch innigst gegrüßt und geküßt von Eurer Mutter und Karoline.

Liebe Kinder! Mit Sehnsucht erwarten wir Eure lieben Zeilen, hoffentlich geht es Euch Allen gut, seid gesund und munter. Bei mir geht es Gott sei Dank auch wieder besser, Ihr braucht Euch deshalb keine Sorgen zu machen. Liebe Mutter und ich treffen uns jeden Tag und sind einige Stunden zusammen und sehne mich jeden Tag mehr bei Euch und Lieben zu sein und auch den lieben Charlie zukünftig kennen zu lernen mit ihm mich zu unterhalten und Euch zu helfen. Wenn Gott will wird es bald in Erfüllung kommen. Herzliche Grüße und Küße sendet an alle Euer Euch liebender Vater. Erwarte bald gute Nachricht. Grüße und Küße an lieben Kurt.“

Brief aus dem Lager Noé vom 19.Oktober 1941


Karolina und Hugo Mayer schreiben aus dem Lager Noé am 19.Oktober 1941 an Familie Metzger, die zu diesem Zeitpunkt im von den Nazis unbesetzten Teil Frankreichs lebten:

„Meine Lieben! Am Montag haben Eure lieben Zeilen durch Eure liebe Schwester empfangen, wofür herzlich danke. Wir feuen uns, dass es Euch gesundheitlich gut geht und lieber Fritz und Ludwig mit ihrer Arbeit befriedigt sind. Dass es Euren lieben Kindern in den U.S.A. gesundheitlich und auch sonst gut geht freut uns sehr und ist ja aller Eltern Hauptwunsch. Auch von uns kann wieder ordentlich berichten. Mein Magen war in den letzten Wochen nicht in Ordnung und am letzten Tag Yontif [jüdischer Feiertag] hatte einen richtigen Klaps, hatte mir abends zuvor durch ein Glässchen Wasser richtig verdorben und Magenkrämpfe und war 2 tage im Bett ziemlich schachmatt, doch heute geht es wieder gut, hoffentlich hält es an, bin nun auch seit 2 Tagen in die Regimküche gekommen wegen meiner grossen Dicke, habe noch glücklich 42 kl. Habe bis auf diese Woche gearbeitet.
Onkel [gemeint ist Hugo Mayer] geht es ordentlich, doch könnte er mehr Achilas [jiddisches Wort für "Essen"] brauchen. Leider kommt das gesannte von lieben Gustav nicht an, was für uns sehr schmerzlich ist. Auch Ihr müsst diesenhalb etwas Geduld haben. Mit dem übersandten ... freuten uns riesig und konnten es gut gebrauchen schmeckte beides wunderbar wie selbstgemacht. Nachträglich vielen Dank, hätte gleich geschrieben, doch wollte Eure Zeilen erst abwarten. Habe so viel zu beantworten, doch endlich bei Euch angefangen. Liebe Friedl, Gust und Mina schrieben uns auf Yontif grossen Brief, es dauerte diesmal besonders lange, liebe Mina hatte sich durch einen kleinen Unfall die Hand verstaucht und hatte Friedl zu ihrer vielen Arbeit noch mehr, jetzt geht es ihnen wieder allen gut. Der kleine Charlie macht ihnen und allen anderen dort viel Freude er baggelt [= brabbelt] schon alles und ist sehr brav. Friedl legte von ihm wieder Bildchen ein, auf dem einen rollt er ein kleines Fass dahinten ..., am Ende wird er noch Bierbrauer, auf dem anderen seine Gratulation um uns Freude zu machen. Rolf der II arbeitet vorerst als Schreiner und hilft Hans in seiner Freizeit mit bei der Farm. Sie haben schon Monate ein 7 jähriges Mädchen in Pflege, dessen Mutter eingewandert in Arbeit ist. Ausserdem hatten sie über die grossen Ferien immer noch 2 Personen in Pension und noch Wochenendgäste. Liebe Irmgard ... Tochter war auch an dem grossen Nationalfeiertag dort und kann es kaum begreifen, wie sie alles bewältigen. Lieber Gust hat in der ... übers Wochenende nachts in der Bäckerei wieder öfters ausgeholfen und meint an der Arbeit mangelt es nicht und freut sich auf seinen Urlaub. Von lieben Kurt warten täglich auf Nachricht; er will versuchen uns Paketchen zu schicken. Von liebe Hilde hatte an den Feiertagen die erste Nachricht aus Marseille, leider sind sie alle noch dort und die 2 Jungens waren beide recht krank und der eine gerade in Erholung. Ich glaubte sie alle längst in den U.S.A. Aber liebe Hilde hatte schon in Gurs Bedenken wegen dem Fortkommen und meinte sie wären schon so oft nahe am Ziel gewesen. Dass liebe Recha so viele Herzbeschwerden hat bedauern sehr seit langem hatten an den Feiertagen eine Karte von ihnen. Nun denke genug mit Euch geplaudert zu haben, muss jetzt zu liebem Hugo ins Parlawer damit er nicht zu ungeduldig wird. Wenn Ihr für uns in Bälde etwas tun könnt ist uns sehr recht und hoffe es bestimmt bald in Ordnung bringen zu können auch von dem Käse ist uns angenehm, wir bekommen nur noch einmal die Woche und auch keine Milch mehr.
Also seid für heute noch herzlich gegrüßt und geküßt von Eurer Tante Karolina und Onkel Hugo.
Wie geht es Lili und Siegfried hoffentlich gut? Mit Eurer Tante Rosa unterhalte mich des öfteren und wird sie Euch über das sonstige hier sicher berichten.

Meine Lieben Alle! Auch ich sende Euch für heute meine herzlichsten Grüße und Küße und erwarte dass Euch allen gut geht und Gesundheit und Zufriedenheit befindet. Herzliche Grüße an die lieben Kinder. Dies von Eurem Onkel Hugo. Grüßet mir auch von mir Eure ...“

Erläuterungen zu diesem Brief aus dem Lager Noé vom 19.10.1941:
  • Die am Schluss des Briefes genannte "Tante Rosa" ist Rosa Metzger, geboren am 27.06.1879 in Speyer als Tochter von Ludwig Metzger und Johanna Baum. Am Anfang des Briefes werden die Namen Fritz und Ludwig genannt. Beide waren Brüder. Fritz Metzger heiratete eine Nichte von Hugo Mayer, nämlich Guta Hess, die Tochter von Elise Mayer und Emmanuel Hess. Von daher ist die Familie Metzger mit der Familie Mayer verwandt, so dass Karolina Mayer von der "Tante" Rosa spricht, mit der sie später auch im Lager Vernet war und mit der sie schließlich auch im selben Transport Nr. 75 nach Auschwitz kam. Karolina Mayer trägt auf vorstehender, verlinkter Transportliste die Nummer 601 und Rosa Metzger die Nummer 621.
  • Gegen Ende des Briefes wird "Hilde" angesprochen, die mit ihren zwei Jungen in Marseille auf ihre Ausreise in die USA wartete. Damit ist Hilda Zivi, geborene Mayer gemeint, eine weitere Nichte von Hugo Mayer, nämlich die Tochter seines Brudes Louis Mayer. Hilda konnte zusammen mit ihren kleinen Kindern Louis und Rolf dann doch noch 1942 von Marseille in die USA ausreisen.
  • Mit der danach angesprochenen Recha ist Recha Sicher, geborene Hess gemeint. Sie ist die Schwester von Guta Metzger, geb. Hess und war verheiratet mit Fritz Sicher.
  • Die Frage nach dem Wohlergehen von Lili und Siegfried am Ende des Briefes bezieht sich auf eine weitere Schwester von Guta Metzger, geb. Hess, nämlich Lily Ullmann, geborene Hess, die mit Sigfried Ullmann verheiratet war.
  • Während die zwei Schwestern Guta Metzger, geb. Hess und Lily Ullmann, geb. Hess in Sicherheit waren, waren ihre beiden weiteren Geschwister Recha Sicher, geb. Hess und Adelheid Hess im Lager Gurs und wurden mit dem Transport 17 von Drancy nach Auschwitz gebracht. Ihre Namen finden sich auf der entsprechenden Transportliste: Recha ist darauf mit der Nummer 780 geführt und Adelheid mit der Nummer 485.
  • Der Adressat des Briefes ist nicht eindeutig bestimmbar, aber es kann als sehr wahrscheinlich gelten, dass der Brief an Guta Metzger, die Nichte von Hugo Mayer, und an ihren Mann Fritz Metzger gerichtet ist, denn Karolina und Hugo bezeichnen sich in diesem Brief als Tante und Onkel. Die am Anfang des Briefes genannte Schwester, durch die Karolina und Hugo einige Zeilen von Guta und Fritz Metzger erhalten haben, ist Rosa Metzger, die mit ihnen im Lager Noé und später auch mit Karolina im Lage Vernet war. Denn Rosa Metzger ist die Schwester von Fritz Metzger.
  • Guta und Fritz Metzger hielten sich zusammen mit ihrem Sohn Ludwig Metzger im Jahr 1941 im von den Nazis noch unbesetzten Teil Frankreichs auf.
  • Die Angabe, dass Hugo und Karolina zu den Feiertagen von Recha eine Karte erhalten haben, scheint ein Beleg zu sein, dass es einen postalischen Austausch von Nachrichten zwischen dem Lager Gurs und Noé gegeben hat.
  • Mit den "Kindern in den U.S.A." ist ein weiteres Kind von Guta und Fritz Metzger gemeint, nämlich Ellen Herz, geborene Metzger, die es zusammen mit ihrem Mann geschafft hat, von Italien aus in die USA zu gelangen. In einem Brief aus New York vom 25.11.1941, den Ellen Herz an Friedel Ehrmann schreibt, bestätigt sie, dass ihre Eltern einen Brief von Karolina und Hugo Mayer aus Noé erhalten haben.


Brief aus dem Lager Noé vom 10.Januar 1942


Karolina Mayer schreibt aus dem Lager Noé am 10.01.1942 und teilt ihren Kindern in Amerika mit, dass ihr Vater Hugo Mayer verstorben ist (Hinweis: Wiedergabe in vollständigem Wortlaut):

„Meine lieben Kinder, liebe Mina und Oma! Denke dass ihr meinen letzten Brief von Mitte Dezember erhalten habt und ist von Euch bisher noch keine Nachricht eingetroffen. Heute muss ich nun die traurige Pflicht erfüllen um Euch mitzuteilen, dass lieber Vater am Neujahr abends 10 Uhr gestorben ist und am 3. vormittags um 11 Uhr beigesetzt wurde. Ich schrieb Euch ja schon dass lieber Vater in letzter Zeit gar nicht wohl war, die Kälte tat ihm sehr weh und er keuchte öfters auf dem Weg zu uns wie früher Onkel Max. In den letzten Tagen hatte er starke Verschleimung und furchtbars Astma und jammerte er Tag und Nacht und er wünschte sich oft, dass er erlöst werde. Einige Tage zuvor sagte er mir nach meinen Fragen nach seinem Ergehen, mache Dich gefasst ich muss bald fort von Dir. Leider konnte die ersten Tage seines Unwohlseins nicht zu ihm da kein Erlaubnisschein hatte. Die letzten Tage schwollen seine Beine so sehr an, was ihn auch noch Schmerzen bereitete. Am Neujahrsmorgen sagte mir Herr Hirsch .... Mann der mir jeden morgen Bericht erstattete lieber Vater hätte eine schlechte Nacht gehabt und ich solle gleich mal kommen. Ich durfte nun den ganzen Tag dort bleiben nur von kurzen Unterbrechungen der Mahlzeiten. Lieber Vater wurde nun zusehends ruhiger. Nachmittags fragte ich ob ich Euch schreiben soll und er meinte, schreibe jedem eine Karte ich will einen Gruss anschreiben und es geht uns einigermassen, solle berichten er sei immer gekränkt dass so wenig Post kommt besonders noch von liebem Gustav. An lieben Kurt habe gestern geschrieben; er hat uns Ende Dezember geschrieben dass es ihm gut geht, nur hätte so viel mit Furunkel zu schaffen immer wenn er sein ... wechsele. Er legte auch uns eine Fotografie ein mit seiner Frau Hanneliese zusammen. Kurt ist tadellos getroffen und freute sich lieber Vater sehr damit. Am 2. I. sandte er uns noch eine Depeche und war ganz überrascht darüber. (Brief erhalten gratuliere Euch zum Neuen Jahr.) Leider konnte dieselbe nur noch mich erreichen. Mir selbst geht es gesundheitlich Gott sei Dank gut und ich hoffe dass dies auch noch bei Euch allen der Fall ist. Dir lieber Hans noch nachträglich vielen Dank für Deine lieben Zeilen, ich glaube ich hatte dies das letzte mal vergessen ich freue mich sehr wenn Du und lieber Rolf als anschreibst. Charlie kann ja schon schöne Striche machen. So Gott will ist es mir vergönnt bald in Eurer Mitte sein zu dürfen, es werden doch bald andere Zeiten werden. Diese Tage kommen Leute weg deren Papiere alle in Ordnung und die Passage bezahlt ist. Habt Ihr von lieber Wilhelm und Frau Nachricht, hoffentlich sind sie nicht verreist. Liebe Lili und Siegfried sind nach dem Osten, habe von lieber Guta gehört. Nächste Woche sollen 300 Gurser Frauen hierher kommen und würde mich freuen wenn Liebe Oma und Sell dabei wären. Habe mich hier mit einigen Frauen gut befreundet, was sehr gut ist. Lieber Gustav, ich hoffe dass Du nach Erhalt dieser Zeilen während des Trauerjahrs Kadisch sagst, ich hoffe hier 8 Tage von einem Mann sagen gehe jeden Tag zum Gottesdienst. Dr. ... früher Ludwigshafen hält zur Zeit denselben ab. Vorhin erhielt eine Bestätigung von Marseille, dass das Geld vom 10. V. mit 344 fr. mir gehörte. Gestern und heute ... es hier doch verschwindet es gleich wieder.
Seid für heute noch gegrüßt und geküßt von Eurer Euch liebenden Mutter und Karolina. An Ferdinand und alle Verwandten und Bekannten dortan viele Grüße.“

Brief aus dem Lager Noé vom 6.Juli 1942


Karolina Mayer schreibt aus dem Lager Noé am 06.07.1942 an ihren Sohn Kurt Mayer in England. Paula Glück fügt einige Grußzeilen hinzu:

„Mein lieber Kurt! Deine lieben Zeilen erreichten mich am letzten Montag und freute mich riesig wieder von Dir zu hören, wartete doch längst wieder auf Post. Ich kam diesen Nachmittag gerade von einer Beerdigung dem Vater einer befreundeten Dame und besuchte dann gleichzeitig lieben Vaters Grab. Post gibt es bei uns immer um 3 Uhr. Ich denke dass Du inzwischen meinen Brief erhalten hast, wo dies auch die Bestätigung Deines finanziellen Grusses schrieb und hoffe ich dass bald wieder solches eintrifft, es war jedenfalls schon richtig wie Du alles übermitteln liessest. Bei Deinem Einkommen fällt es Dir ja nicht schwer, und ich habe es als Zusatz sehr nötig. Es war mir Dein verdienst überhaupt unglaublich, ist das wirklich Mark und Woche gemeint? Seit 14 tagen fühle mich wieder viel kräftiger, war vorher etwas unpässlich, kleine Frauensache, es kam jedenfalls von der Ernährung ich kann Dir nun als ungebackener Ehemann darum sagen es geht mir nun wieder gut. Hoffentlich hast Du Deine Furunkel nun auch endgültig los. Die Mahlzeiten sind zur Zeit sehr gut vorbereitet, aber mein Appetit ist besonders gut. – Wenn es in der Kantine Bier gibt, leiste mir als auch ein Fläschchen. Auch Kokusnuss gerieben ist eine Lieblingsspeise von mir.
Nun möchte ich Dir aber vor allem anderen sagen, dass ich mich sehr freue, dass Dich übermorgen die Ehe mit Deiner Hanna schliesst. Meinen Segen sollst Du haben und ich gratuliere Euch von Herzen werdet recht glücklich miteinander. Was hätte lieber Vater eine Freude gehabt wenn er das noch erlebt hätte. Du glaubst nicht, lieber Kurt, wie ich in Gedanken stets bei Dir bin und so gerne mal wieder von Dir erzählen hörte. Alles wie Ihr Beide lebt, was Ihr arbeitet interessiert mich. Dass Du, lieber Kurt, so viel Freude an Eurem Garten und Gemüsebau hast, ist von Deinen Eltern übernommen, hast Du auch Deine Hühnchen und Hasenzucht begonnen? Eine Dame welche mir vis a vis ist war schon öfter in Deiner Gegend und erzählte mir diese Tage wie schön es dort ist. Ich arbeite diesen Sommer nicht in der Landwirtschaft bringe aber für verschiedene Damen Kleider, Wäsche und Strümpfe in Ordnung und bin bei meinen Kunden sehr begehrt und befriedigt mich dies sehr. Die letzen Tage haben wir sehr heiss besonders am Nachmittag und Abend, heute ist wieder Regenwetter und sehr angenehm.
Warum schreibst Du mir schon einige Male nichts von Gertrud? Ich habe von lieber Guta und Else, welche es von lieber Recha hörten und zwar soll die Nachricht von Mattls Mutter an ihre Schwester Fräulein Brückmann kommen, dass Trudl tot sei und es die liebe Oma und Selma nicht wussten, kann diese Nachricht stimmen? Ich kann es nicht glauben. Habe von liebe Oma und Selma schon eine Weile keine Nachricht, am letzten Mal schrieben sie dass sie von Trudl noch nichts erhielten. Recha schrieb ich, dass Du und Joachim Euch gegenseitig besucht habt und Emy (?) schrieb mir, dass Ernst nun in London beschäftigt ist. Mit lieber Guta und Rosenthals bin immer in Briefwechsel in Ferrand. Leider habe von Liebe Friedl, Gustav und allen dortan noch keine Post erhalten. Gegenwäertig kommt nun auch wenig von dort an, anscheinend ist ein Brief verloren gegangen. Es sind nun schon über 7 Monate, dass ich keinen Brief bekam, hast Du von ihnen auch keine Post? Sind liebe Hannas Eltern noch in ihrer Wohnung? Was machen die beiden Mädels, sind dieselben jünger wie Hanna? Wie heissen Deine beiden Cheffs? Es ist sehr schön dass dieselben Dir und Deiner Hanna so behilflich sind. Ich denke auch dass Du mit solchen und deren Familien sehr gut stehst. Deine Lernkurse wirst Du sicher inzwischen eingestellt haben. Nun will für heute Schluss machen, wünsche das Ihr viel schönes auf Eurer Reise gesehen und mir recht bald gute Nachrichten zukommen lasst. Mit diesem Wunsch grüßt Euch innigst Eure Mutter.
Viele herzliche Grüße und Gratulation an alle verwandte dortan.

Liebe Tante Anna! Ich danke Euch noch nachträglich für Eure letzten Zeilen und hoffe Euch alle wohlauf, hoffentlich geht es Euren Lieben in L. gut. Gebt den Brief auf schnellstem Wege weiter da Kurt wartet und danke Euch herzlich und hoffe bald wieder von Euch zu hören. Eure gewünschte Adresse ist 6 Carnyngham Rd, Viktoria Park, Manchester 14.

Werter Herr Bräutigam! Erlaube mir als Herzensfreundin Ihrer so lieben und feinen aufrichtigen Mutter, aber unbekannt herzlich zu gratulieren. Wir haben schon öfters Ihr liebes Bild und Ihrer Frau betrachtet und macht auf dieselben einen lieben Eindruck. Alles Glück und freundliche Grüße sendet Ihnen Paula Glück aus der Nähe Heidelbergs.“

Erläuterungen zum Brief aus Noé vom 06.07.1942:

Mit der am Ende des Briefes angesprochenen Anna ist Anna Ehrmann, geb. Rensch (* 27.08.1903) aus Nußloch gemeint, die Ehefrau von Ferdinand Ehrmann, geboren am 03.02.1895 in Nußloch. Die Grußzeilen von Paula Glück am Ende dieses Briefes werden in einem späteren Brief von Paula Glück an Kurt Mayer vom 3.01.1945 erneut angesprochen.

Postkarte aus dem Lager Noé vom 9.September 1942


Karolina Mayer schreibt auf dieser Postkarte an ihren 21-jährigen Sohn Kurt Mayer in England aus dem Lager Noé am 9.September 1942 (Hinweis: Wiedergabe in vollständigem Wortlaut, Ergänzungen stehen in Klammern):

„Lieber Kurt liebe Hannel. Seit Erhalt des Telegramms bin (ich) immer noch ohne Nachricht von euch, so sehr ich täglich darauf warte, da ich es von dir lieber Kurt doch gar nicht gewöhnt bin und du doch gewiss noch ein bischen Zeit für deine Mutter übrig hast. Den Geldgruß habe (ich) empfangen und danke dir herzlich. Hoffe doch, dass es euch gut geht und ihr glücklich und zufrieden miteinander seid. Mir geht es gesundheitlich gut. Glaube nun ziemlich sicher, dass (ich) nun vorerst hier bleiben kann. Liebe Kahn und ihre Lieben sind verzogen, hatte ihnen gerade über hierherkommen geschrieben, über das sie mich baten. Auch von lieber Oma und Sell (Selma) vermisse noch die neue Adresse. Liebe Guta und Familie mussten auch umziehen, teilten mirs diese Tage mit, ich erwarte diese Tage mal wieder ein Päckchen von ihnen. Frau Bernheim ist jetzt hier und (wir) kommen öfters zusammen. So Gott will wird das neue Jahr zum Frieden führen und seid für heute noch herzlich gegrüßt und geküsst von eurer Mutter.“


Briefe aus Toms River, New Jersey USA

Am 3. und 17. Oktober 1942 schrieben Gustav Mayer, Friedel Ehrmann und deren Schwägerin Mina Ehrmann an Karolina Mayer im Lager Noé einen mehrseitigen Brief, doch dieser Brief erreichte sie nicht mehr, er kam am 24. November 1942 wieder zurück nach Toms River, New Jersey (USA). Zu diesem Zeitpunkt war Karolina Mayer wahrscheinlich noch im Lager Noé, aber die Postzustellung zwischen dem inzwischen durch die Deutschen besetzten Südfrankreich und den USA bzw. England wurde eingestellt. Dies wird auch durch folgende Notiz deutlich, die als Erklärung dem nicht zugestellten Brief beilag:


Die Briefseiten vom 3. und 17. Oktober 1942 belegen, dass die Kinder von Karolina Mayer alles versucht haben, um ihre Mutter doch noch nach Amerika holen zu können, aber der briefliche Kontakt wurde 1942 immer schwieriger, was man daran sehen kann, dass Karolinas Brief aus Noé vom Januar und vom Juli 1942 zeitgleich erst Ende September 1942 in Toms River ankamen. Gustav Mayer spricht in seinen Zeilen auch die Zensur an, die möglicherweise der Grund dafür war, dass Karolinas Antwort aus Noé nicht angekommen ist.



Brief von Gustav Mayer aus Toms River an seine Mutter Karolina Mayer vom 03.Oktober 1942


„Liebe Mutter! Deinen lang erwarteten Brief sowie Postkarte erhielten wir vor einigen Tagen zusammen. Ich hoffe, daß Dich diese Zeilen bei Gesundheit antreffen. Von dem Ableben des lb. Vaters hörten wir zuerst von lb. Toni die es von lb. Oma u. Sell erfuhr. Wir werden in den nächsten Tagen, nochmals von Neuem Papiere für dich vorbereiten u. einreichen, damit Du doch hoffentlich noch zu uns kommen wirst. Leider sind durch diese Zeiten u. Bestimmungen die Angelegenheit nicht so sehr beschleunigt auf den hiesigen Stellen und so darfst Du versichert sein, daß es soweit an uns liegt alles unternommen wird die Einwanderungserlaubnis für Dich zu erreichen. Stets habe ich gehofft Dich u. auch den lb. Vater hier bei uns zu haben und es kam doch anders. Schrecklich entsetzt waren wir alle als wir von dem plötzlichen Hinscheiden der lb. Trudel in England hörten, lb. Kurt hat uns über alles davon geschrieben, ich weiss zwar nicht ob du auch informiert bist, doch den Weg den lb. Trudel ging wäre meiner Ansicht nach nicht notwendig gewesen. Vor einigen Wochen wollte Dir durch die "Quäcker" eine Überweisung machen doch leider erhielt ich mein Geld wieder zurück, da anscheinend momentan Bestimmungen von hier aus Überweisungen nicht zulassen. Sobald es wieder ermöglicht ist werde regelmässig Beträge an Dich senden lassen. Mit Päckchen ist es schon seit Monaten aus.
Als wir von lb. Vaters Tod erfuhren hatte ein Kabel mit bezahlter Rückantwort gesandt, hast Du es eigentlich bekommen? Die Antwort kam jedenfalls nicht an, möglich daß es irgendwo bei der Zensur hängen blieb. Gestern war mein 32. Geburtstag von dem ich nicht viel Federlesen machte. Lb. Mina machte mir den allgemein üblichen Marmorkuchen der ausgezeichnet schmeckte, den Rest werde ich nachher auf deine Gesundheit aufessen. Beschenkt wurde ich mit praktischen Dingen wie fast nie zuvor. Von l. Mina einen wollenen Pyjama, v. Friedel einen wollenen Pullover und Arbeitshose, von den Jungens schöne Gummischuhe für Schnee- u. Regenwetter, Ferdls einen jungen Hahn v. selbigem. Wein, wunderschöne Westen von Grumbareis u. Richh. Am Abend waren wir bei Richh. etwas gemütl., da (?) auch mit mir Geburtstag hat ebenso ein Herr Rothsch. aus Stttgt. Lb. Kurt hat uns eine grosse Überraschung gemacht, als er mir kurz vor seiner Hochzeit zum ersten Mal über seine Absicht darüber schrieb, lb. Friedel meinte lb. Kurt wäre noch zu viel zu jung, doch kamen überein das sein Vorhaben vielleicht doch gerechtfertigt werden kann, da er ja alleine u. sich selbst überlassen in England ist u. Ich glaube u. traue ihm zu, daß er selbst weiss was für ihn das Rechte ist. Über deine erste Schwiegertochter wissen wir ausser ihren Namen leider nichts. Ausser einer Karte von der Hochzeits(?) hörten wir nichts mehr. Ich bleibe vorläufig noch Junggeselle, vielleicht muss ich auch noch zum Militär. Lb. Bella hat vor etwa 3 Wochen ein kleines Mädel bekommmen, sie wohnt seit Monaten wieder in N.Y., ihre Schwester Anna erwartet auch ein Baby. Onkel Moritz ist sehr stolz auf sein neues Enkelchen. Der Brief ist leider einige Tage liegen geblieben, da lb. Friedel noch nicht ihr Teil geschrieben hatte. Von lb. Kurt u. Hannelore hatten gerade einen grossen Brief, sie sind glücklich zusammen. Sobald es wieder Möglichkeiten gibt Überweiseungen zu machen, werde ich solche an dich machen. Bleibe gesund u. lasse bald wieder hören evtl. kurzen Bericht durch die Quäcker. Recht herzliche Grüsse u. Küsse. Dein Gustav“
„Norbert Traub ist mit der amerik. Luftwaffe nach England gekommen. (?) Weib hat die Farm neben der seinen nun auch gekauft und zwar für seine selbigen Leute (Friedmann). Es ist die Farm auf der Sigges früher wohnte. War diese Woche dort u. hab helfen seine Wasserpumpe reparieren.“

Brief von Friedel Ehrmann aus Toms River an ihre Mutter Karolina Mayer vom 17.Oktober 1942


„Meine liebe Mutter. Vor allem hoffe ich, daß dich diese Zeilen in vollster Gesundheit antreffen. Meine Gedanken sind immer bei Dir und wie herrlich wäre es wenn Du bei uns sein könntest. Vieleicht klappt es doch bald und werde ich Diese Woche noch die Papiere ausfüllen und geht es vieleicht rasch, daß Du kommen kannst. Am 27. Oktober bin ich vorgeladen zur ersten Prüfung zum Citizenshippaper [Urkunde für die Staatsbürgerschaft], hoffendlich geht es es gut durch. Was hat sich lb. Oskar immer auf diesen Tag gefreut. Erst vor 14 Tagen kam Dein lb. Brief vom 10. Januar an in dem Du über lb. Vater schreibst gleichzeitig mit lieber Karte vom Juli. Wir haben Dir frühzeitig durch die Quäker ein Telegramm mit Rückantwort zu den Feiertagen geschickt und Geld und ist es 14 Tage nach (?) wieder beides zurück gekommen. Schrecklich wie man allem machtlos gegenübersteht. Hoffendlich bekommen wir bald wieder gute Nachricht von Dir aus jüngerer Zeit. Uns geht es bis auf lb. Mina G.s.D. allen gut. Lb. Mina hat seit ungefähr 3 Wochen eine unangenehme Erkältung und hat eine Gesichtslähmung. G.s.D. ist es jetzt wieder besser bekam elektrische Bestrahlungen ...(?)... und fühlt sich oft gar nicht gut u. ..(?).. Unser (?) war sehr anstrengend und hatten wir wieder ziemlich Gäste. Einmal waren 3 Tage lang 13 Leute bei uns so daß lb. Mina für 20 Leute zu kochen hatte. Es hat aber alles gut geklappt. Unser Charlie ist so ein goldiges liebes Kind und ..(?).. hoffendlich lernst du es bald kennen. Was hätte lb. Oskar und was hätte lb. Vater eine Freude zu dem Kind. Ein Bild von ihm haben wir schon so lange nicht mehr machen lassen. Sobald wir eines haben schicken wir es Dir. Hans und Rolf sind prächtige Jungen. Hans hat die Farm tadellos in Schuss und ist die Farmerei dieses Jahr an u. für sich rentabel und wünschten wir uns daß wir Dir Eier, Hühner u. Milch schicken könnten. Rolf hat einen guten Job und verdient gut. Gust ist heute Abend bei Sigges ..(?).. reparieren. Wie geht es allen lb. Nußlochern und Bruchsaler. Ich schreibe bestimmt bald wieder und küsse Dich heute innigst Deine Friedel.“

Brief von Mina Ehrmann aus Toms River an Karolina Mayer vom 17.Oktober 1942


„Meine lb. Karoline! Ich hoffe Du bist gesund u. es geht Dir soweit gut; bei uns ist G.s.D. außer mir alles wohl u. munter. Seid 4 Wochen habe ich eine Lähmung der linken Gesichtshälfte es ist was schreckliches, die ganze Seite ist krumm u. schief. Jede Woche muß ich 2 mal zum Arzt, werde elektriesiert, es ist schon etwas besser, aber noch lange nicht so, daß ich meine alte "Schönheit" habe. - Unser lb. Charlie leistet wenn ich abends liege Gesellschaft u. ist dann der Herr Doktor, er ist goldig der kl. Kerl u. macht uns viel Freude, er erzählt die größten Geschichten aus Nussloch, Lome u. Offenburg u. wer es wissen will dem sagt er, daß die Mami u. der Onkel Gustav von Lome sind. Bei Ferdls ist z.Z. auch alles wohlauf. Die Kinder sind groß u. lernen gut. Lb. Hans u. Rolf sind beide schon große Herren u. sehr brav u. fleißig. Hans ist stehts auf die Farm u. Rolf verdient sehr schön. Was hätte lb. Oskar von dem allem seine Freude. So gerne hätt ich mal an Else u. Guta geschrieben, aber ich weiß keine Adresse. Von Toni hören wir auch selten u. so sind wir über lb. Karoline u. Selma auch nicht im Bilde. Weißt Du ob Rositta noch in Gurs ist? Warum muß das alles so sein? Morgen muß lb. Friedel zur Prüfung um Bürger zu werden u. hoffen wir alle, daß es dann schneller mit Deinem kommen geht. Habe Dich inzwischen wohl u. munter u. sei herzlichst gegrüßt u. geküßt von Deiner Mina. Viele Grüße u. viele Küsse von Deinem Charlie. [Auf der linken Briefseite stehend:]herzliche Grüße alle: Jule Ferdinand u. Familie“


Briefe aus Isére, Frankreich

Briefe von Paula Glück von 1944/45 aus Isère Frankreich an Kurt Mayer in England


Paula Glück (geb. am 24.10.1877) wurde von Waibstadt aus deportiert und hat Karolina Mayer im Lager Noé kennengelernt. Auch als Paula Glück vom Lager Noé in das "Hospice de St. Laurent Port Isère" verlegt wurde, konnte sie mit Karolina Mayer brieflichen Kontakt halten. Paula Glück überlebte den Holocaust und lebte bis zu ihrem Tod am 01.03.1964 in Buenos-Aires. Dank ihrer warmherzigen und anrührenden Briefe wissen wir, dass Karolina Mayer nach Gurs und Noé auch noch in das Camp de Vernet kam. Wahrscheinlich hat Paula Glück ihren ersten Brief vom 03.01.1944 in Wirklichkeit am 03.01.1945 geschrieben und zu Beginn des Jahres versehentlich noch die alte Jahreszahl notiert. Denn nur unter dieser Voraussetzung ergeben ihre im Brief gemachten zeitlichen Angaben einen Sinn. Der Deportationsverlauf von Karolina Mayer lässt sich unter dieser Voraussetzung zeitlich folgendermaßen rekonstruieren:

Karolina Mayer, geb. Bierig
geboren am 02. Dezember 1879 in Nußloch (Baden)
wohnhaft in Leimen
deportiert am 22. Oktober 1940
Internierung im Lager Gurs vom 25.10.1940 bis 19.02.1941
Internierung im Lager Noé vom 19.02.1941 bis September 1943
Internierung im Lager Vernet vom Sept./Okt. 1943 bis Mai 1944
Ankunft in Lager Drancy am 22.Mai 1944
Transport von Drancy nach Auschwitz am 30.Mai 1944

Brief von Paula Glück vom 03.01.1944 an Kurt Mayer in England


„Werte Familie Mayer!
Öfter nahm ich mir schon vor, Ihnen einmal zu schreiben, und heute soll es wahr sein. Hoffe Sie und Ihre liebe Frau, die ich ja bildlich sah, und mir gut gefiel, bei bester Gesundheit. Mein Name wird Ihnen noch bekannt sein, da ich doch mal in den Brief Ihrer lieben, unvergesslichen u. feinen Mutter, mit einer so seltenen Herzensgüte, Grüße beifügte. Wir haben uns in Noe die Adressen unserer Verwandten gegenseitig aufgeschrieben, sonst könnte Ihnen nicht schreiben. Wir waren in Camp de Noe 2 ½ Jahre beisammen, nebeneinander geschlafen, harmoniert wie Schwestern, Freud u. Leid geteilt, auch unsere Lebensmittel u.s.w. Nun kam ich weg, da ich wegen meinem Alter hierher kam, und Ihre gute Mutter kam ¾ Jahr später dort weg, und zwar nach Camp de Verne, wo sie 8 Monate war, im Mai bekam ich den letzten Brief leider, und mein letzter Brief hat sie nicht mehr erhalten, kam zurück, Adresse unbekannt, auch das Mandat mit 100 Fr. kam zurück habe nämlich gleich weggeschickt, da Ihre l. Mutter schrieb, Ihre Finanzen seinen z. Zeit nicht gut, und ich sagte mir, wenn das die l. gute Karolin schreibt, lasse ich sie nicht in Not, und habe meine Barschaft mit Ihr geteilt. Mit Tränen in den Augen, als ich dies zurück erhielt. Alle Abend schließe ich sie in mein Gebet mit ein, der l. Gott soll sie gesund zu Ihren l. Kindern zurückkehren lassen. Man sagte z. Zeit, seien in ein Lager nach Dransi, bei Paris gekommen. Wie sie hinkamen, können sie nicht schreiben. Es waren halt z. Zeit die Frauen bis 65 weg, und ich war 66 – Schade, dass Sie Ihr jetzt nichts schicken können, da doch jetzt die Leute von England Post u. auch Geld bekommen. Meine Verwandten sind in Buenos-Aires, wo ich hin will, hatte schon mein Schiffsplatz (?). Die anderen in Lausanne, wo ich von Ihm in Frankreich mein Gehalt (?) bekomme. G.G. er wird doch die Menschen-Morderei, bald aufhören, man hätte genug. Wir sind hier gut untergebracht, ich würde etwas darum geben, wenn ich Ihre liebe Mutter bei mir hätte. (?) Familie Mayer habe Ihnen jetzt viel geschrieben. Ich würde mich herzlich freuen, von Ihnen auch etwas zu hören. Weiter alles Gute, und herzlich grüßt Sie Ihre Paula Glück.
Hospice de St. Laurent (?) Port Isère Frankreich

Frau Traub ist auch im Hause Es grüßt Sie Frieda Traub aus Wiesloch. Norbert ist Soldat u. jetzt in Italien bei d. Flieger“

Brief von Paula Glück vom 20.06.1945 an Kurt Mayer in England


„Liebe Familie Mayer!
Nehme an, dass Sie meine letzte Karte erhalten haben. Hoffe bei Ihnen alles gesund u. munter, auch ich bin zufrieden, bis alles mal nach dem unsagbar schweren Kriege anderst kommt, für uns alle, wie es seither war. Leider, leider muß ich Ihnen mit schwerem Herzen, u. mit zu großer Aufregung, mit meinem Innern mitteilen, dass Eure liebe Mutter, meine unvergessende liebe Schwester, so muß ich u. kann nicht anderst schreiben, ein Opfer des großen Mordes, wo begangen wurde an den vielen Menschen, auch nicht verschont geblieben. Wie schwer mir diese Worte fallen, Ihnen l. Familie zu schreiben, können Sie sich denken, und mit mir fühlen, und ich musste Sie doch davon benachrichtigen. Eine Frau, wo in unserer Baracke in Noe war, hat an eine Frau, die in meinem Saal ist, geschrieben, und jetzt von dort, wo dieselbe scheints mit Ihrer l. guten Mutter beisammen war, geschrieben. Sie selbst, sei wie ein Wunder verschont geblieben, und könne nicht über alles schreiben, unter anderem schrieb sie, auch unsere brave Karoline ist nicht mehr – (?) unvergessliche Mutter hat der Frau als genäht, für Ihren 18 jährigen Sohn, von dem sie auch nichts weiß – Sie ist zu Ihren Eltern zurück, die Mutter von ihr war auch in der Baracke in Noe bei uns. Ich habe der Frau geschrieben, Sie solle mir schreiben u.s.w. Es ist nicht zu glauben, ich kann als Nachts nicht einschlafen, und habe ihr liebes aufrichtiges Gesichtchen, mit den treuen Augen in ewiger Erinnerung. Ihre Grüße vom Camp de Verne, aus werde als Andenken aufbewahren. – Nun wollen wir ihr die Ruhe gönnen. Haben Sie kein Bildchen von ihr? Wie oft haben wir als zusammen Ihr Bild betrachtet mit Ihre l. Frau, und so sagte sie als, ich habe keine Angst für meinen Kurt, er macht den Mann, wenn er auch noch jung ist, und die l. Hannelore hat ihr auch gut gefallen, hauptsächlich die l. Briefe. Von meinem Neffen in Lausanne hat sich auch ein Sohn verlobt, ist auch erst 23. Meine liebe Schwester schrieb von dort. Jung gefreit, hat noch nie gereut. – Nun l. Familie Mayer habe Ihnen geschrieben, gönnen Sie Ihrer l. unvergesslichen l. Mutter die Ruhe. Sie hat nur gekämpft von allerhand Leiden. Bleiben sie weiter gesund beisammen und empfangen für heute die herzlichsten Grüße von Ihrer Paula Glück und in Gedenken Ihrer l. Mutter.
Entschuldigen Sie mein Schreiben bin zu aufgeregt –
Mademoiselle Paula Glück Hospice St. Laurent Isere“

Brief von Paula Glück vom 07.10.1945 an Kurt Mayer in England


„Liebe Familie Mayer!
Ihr lieber Brief von Juli habe erhalten, freu mich dass bei Ihnen alles gesund ist. Auch ich bin zufrieden, man kann sich z. Zeit aufrecht erhalten, durch die Päckchen die ich jetzt von meinem Neffen aus New Jork von Zeit zu Zeit erhalten, doch wird soviel heraus gestohlen, und sind schon Schritte dafür getan worden, doch wird es nicht viel helfen muß halt schreiben, daß sie dieselben doppelt gut packen. Denn mit der Kost vom Hause kann man unmöglich auskommen. Mit dem Bildchen habe mich unsagbar gefreut, habe dasselbe zu den Bildern von meinen Lieben getan. Ihre l. Mutter ist ja so gut getroffen, hat immer lachende Züge in Ihren so treuen guten Gesicht. Ihr l. Vater ist auch gut getroffen. Wir werden voraussichtlich diesen Winter noch hier bleiben müssen, soviel man hört. Doch wir sind ja sonst menschlich untergebracht, und haben 5 Jahre hinter uns, wird d. l. Gott mich weiter gesund erhalten. Mein Neffe in Buenos Aires der schon 23 Jahre dort ist, wird schon Schritte tun, wenn die Ausreise einmal ernst werden soll. Wie oft ich mich im stillen bei Tag u. Nacht mit ihrer lieben Mutter unterhalte, kann Ihnen nicht schreiben. Nehme als Ihre Briefe, die ich alle aufgehoben habe, und unterhalte mich mit. Wie oft hat sie als Ihr Bild betrachtet, wo Ihre l. Frau auch drauf ist, und die Bilder ihrer Schwester Friedel nebst Kinder. Die Menschenmörder werden ihren Lohn für Ihre unmenschlichen Greueltaten doch auf gleiche Art, noch viel zu gut büsen müssen - . Wollen wir der selten guten u. feinen Frau die Ruhe gönnen. Wie viele werden noch gesucht, und wohl nie mehr zurückkommen? In Auschwitz soll Ihre l. Mutter mit noch einer Frau Fisch aus Heidelberg mit der wir beisammen waren in Noe, und ich glaube ein Frl. Rosa Metzger, die in Camp Verne neben Ihrer Mutter lag ist noch bischen verwandt mit Ihnen, ist öfter als zu Ihrer l. Mutter gekommen, hat immer Tante zu ihr gesagt, ihr Leben hingeben mussten, und von den anderen in unserer Baracke in Noe haben wir nichts mehr gehört, und sind hier auch nicht mehr. Man darf nicht denken. Eine Frau Professor Edinger, der Ihre l. Mutter alle ihre Sachen genäht hat, und auch bei mir hier ist, hat mir gestern gesagt,

[Am Briefanfang auf dem Kopf stehend] Entschuldigen den beschmutzten Bogen, hatte kein Papier mehr zur Hand.“

Ergänzende Hinweise:

Paula Glück schreibt anfangs ihres ersten Briefes vom 03.01.1944, dass sie einem Brief von Karolina Mayer Grüße beigefügt hat. Damit meint sie den Brief von Karolina Mayer vom 06.07.1942 aus dem Lager Noé.

Paula Glück schreibt in ihrem ersten Brief vom 03.01.1944 als Begründung dafür, warum sie bisher nicht nach Drancy gebracht wurde: „Es waren halt z. Zeit die Frauen bis 65 weg, und ich war 66.“ Diese Altersbegrenzung von 65 Jahren scheint auf den ersten Blick nicht plausibel zu sein, hat aber wahrscheinlich doch einen gesetzlichen Hintergrund. Denn nach einem "Runderlass des französichen Innenministeriums vom 17.09.1939 bzgl. Ausländern und Staatenlosen sowie diesen Personenkreis betreffenden Internierungsmaßnahmen" wurde verfügt, dass aus dem deutschen Reich stammende Ausländer zwischen 17 und 65 Jahren in Sammellagern festzuhalten sind, auch wenn sie als politische Flüchtlinge anzusehen sind. (Dieser Runderlass ist vollständig abgedruckt in folgendem Aufsatz: Barbara Vormeier, Die Lage der deutschen Flüchtlinge in Frankreich. September 1939 - Juli 1942, in: Jacques Grandjonc/Theresia Grundtner (Hrsg.), Zone der Ungewißheit. Exil und Internierung in Südwestfrankreich 1933-1944, Hamburg 1993, S. 210 - 234.)

Die im letzten Brief von Paula Glück vom 07.10.1945 angegebenen Informationen, dass Frau Fisch und Frau Metzger zusammen mit Karolina Mayer in Auschwitz waren, werden durch die Transportlisten von Drancy bestätigt. Sowohl Hermine Fisch, als auch Rosa Metzger waren im Lager Vernet und standen auf der gleichen Transportliste Nr. 75 von Drancy nach Auschwitz vom 30.Mai 1944.


Briefe aus Leimen nach Kriegsende

Brief von Kätchen Brandner vom 29.August 1951 an Friedel Ehrmann in Amerika


„Liebe Friedl u. alle lb. Angehörigen!

Heute wage ich's Euch wieder mal zu schreiben, da lb. Otto u. ich seit Januar auf Nachricht hofften. Otto sagte immer "wenn wir Amerikaner Besuch bekommen im Sommer, da freue ich mich so sehr." M. Lieben schweren Herzens teile ich Euch mit, daß lb. Otto am 12. Juli (infolge Herzleidens) nach zweitägiger Erkrankung zur ewigen Ruhe ging. Da wir leider bis jetzt von lb. Rudi nichts wissen, ist dies für mich ein doppelter Schmerz, wie einsam ist es doch bei mir geworden. Das Schlafzimmer habe ich an einen jungen Herrn vermietet; so kann ich mir die Miete verdienen; im vorderen Eckzimmer habe ich Wohn- und Schlafzimmer zugleich; wenn jemand von Euch kommt, wird das Zimmer frei werden.

M. Lieben! Die Jahre, seit von Euch niemand hier im Hause wohnt, hat Otto u. ich immer nach dem rechten gesehen, als Hauswarth, u. wie ich Euch schrieb, bekam er dafür eine kleine Vergütung von 5 DM; ich hab dies im Sinne hier paar Wochen weitergemacht; heute bekam ich von Leidel, die unser Zimmer ausgemeßen, einen Zettel, Leidel sei jetzt Hauswarth; Leidels haben in letzten Wochen ihre Räume herrichten lassen. Würde mich sehr interessieren, ob dies auf Kosten der Verwaltung ging. Frau Leidel geb. Fünfgeld bringt dies fertig, ihr Mann ist ein Bayer, die machen alles nur zu Ihrem eigenen Vorteil. Ich kann zum mindestens dies weiter machen, wie bisher. Es wäre doch gut, wenn jemand von Euch kommen könnte; könnt ihr dagegen etwas unternehmen? Es bebt in mir, da so plötzlich alles auf mich kommt. Darf ich bitten, daß Ihr doch bald Antwort gebt. Lb. Otto sagte, da könnte viel Geld erspart werden, wenn wir die Verwaltung hätten.

Lb. Friedl! Du wirst mich verstehen, wie mir zu Mute ist, da Du vor Jahren gleiches Leid hattest, eins nur, daß Du den lb. Karly hattest, wäre Rudi bei mir, das wäre ein guter Trost. Otto wollte noch gern bei mir bleiben, da ich schon drei Jahre ärztliche Hilfe brauche.

Wie geht es euch allen? Hoffe, Euch alle bei bestem Wohlsein zu wissen. Kurt u. lb. Frau können doch auch mal nach Deutschland kommen. L. Friedl ich hatte doch immer nach Amerika gewollt, wenn Rudi gekommen, dann ja, nun ist alles dahin. Entschuldigt, daß ich heute von Leimen nichts schreiben kann.

Wünsche Euch alles Gute, verbunden mit vielen herzlichen Grüßen von Eurer in Tränen vereinsamten Kätchen. Auch Frl. Mina Ehrmann herzl. Grüße.“

Brief von Kätchen Brandner vom 25.Februar 1952 an Friedel Ehrmann in Amerika


„Liebe Friedel und alle lb. Angehörigen!

Habe recht herzlichen Dank für lb. Brief vom 30.10.; es tut mir sehr leid, daß ich nicht gleich antworten konnte. Ich war bis nach Weihnachten krank, Nieren u. Herzleiden mit heftigen Schmerzen; von Mitte Januar an war ich bis jetzt bei Frau Bär. Die ist auch sehr herzleidend Lehrer Bär ist nun 10 Jahre tot. Die zwei Söhne der älteste und der jüngste sind gefallen im Krieg. So verging der Winter vor dem mir so sehr graute. Wir haben seit paar Tagen herrliches Frühlingswetter, daß ich heute mal nach dem Garten schaute, er ist aber noch zu naß. Lb. Friedl Du schriebst mir so viel schönes, vor allem auch von der lb. Jugend; wie gern wäre ich manches mal bei Euch; könnte ja auch gern Oma spielen wie Du und lb. Frl. Ehrmann. Eigentlich kann ich mir Hans und Rolf als Pappa’s gar nicht vorstellen, die ja noch so kleine Jungen’s waren hier; die Zeit vergeht, ich habe nun schon 60 hinter mir und glaube ich, die Jahre vergehen nun noch schneller; ich habe ja nicht mehr viel zu erhoffen; bin ja nur froh wieder raus zu können, u. nicht so einsam daheim zu sein; der Herr der bei mir wohnt kommt ja am Abend erst heim; der Weg zu Schillings ist mir oft zu weit u. anstrengend; zu Edith nach Heidelberg gehe ich gern, die ist immer so gut, u. hat mehr Zeit als Bauersleute. Lb. Friedl du schriebst mir von so vielen Bekannten, ich freue mich darüber, auch von lb. Toni, an sie denke ich schon oft u. wird sie sich wieder gut erholen; lb. Kurt hat mir geschrieben aber von lb. Gust höre ich noch nichts; lege paar Zeilen für Kurt bei, ich kann die Adr. nicht richtig lesen. Sonst seid Ihr Gott sei Dank alle soweit gesund u. wünsche Euch dies von Herzen.

Lb. Friedl Du schreibst vom Haus u. vom neuen Hauswart. Seid lb. Otto nicht mehr da ist, merkt man im Hof u. Haus; manchmal geht’s im Treppenhaus u. Hof toll zu; doch wenn ich … irgendwelcher Art sehe; sag ich halt nach wie … bei Kindern; es ist derweil Ruhe, denn es sind immer einige Partien nicht gut zusammen. Ich grüße alle im Hause, komme jedoch in keine Wohnung, ja Hartschuh’s wollten immer umziehen, man hört nichts mehr davon. Rosa wohnt bei Bäckerei Simon; hat jetzt 2 Mädl u. 1 Buh der 4 Wochen alt ist. Heut ist mir Weber Ludwig begegnet, er gab mir Bilder von der Jugendzeit, für Gustav lege eines bei, die anderen wenn ich Gustav schreibe, doch erst Brief von ihm erwarte. Ich hoffe, daß dies Jahr eines von Euch rüber kommt, dann könnt ihr alles regeln. Ich habe oft ganz große Sorgen darum „werde ich hier wohnen dürfen solange ich lebe“?, ich möchte nicht mehr versetzt werden als „alter Baum“ der mind seit 1932 mit Euch verbunden ist. Otto sagte immer, das Haus brächte so viel ein, daß Ihr die Reise nach hier machen könntet jedes Jahr eines, wenn wir die Verwaltung besorgen könnten. Herr Dr. Strauß kenne ich, habe schon mit ihm gesprochen, daß er keine Antwort gibt kann ich nicht verstehn. Herr Körner besorgt ja die Sachen auserhalb, der kommt zu (Fünfgeld) Leidel schon immer, wenn die auch früher nichts mit zu tun hatten. Ihr müßt zur Adr. schreiben z. Vorlage des Herrn Dr. Strauß. Habe zufällig erfahren, daß Riehms Heiner (Kinobesitzer) an Euch geschrieben. Er hat viel Geld hat verschiedene Häuser u. möchte noch eines haben in guter Lage fürs Geschäft; Geld hat überall die Macht. Es wird wohl viel geredet, jemand sagte mir, der Gustel sei schon unterwegs, ich gab zur Antwort, ich weiß nichts im Brief von Euch stand nichts davon. Hoffen wir also dies Jahr auf ein Wiedersehn in der alten Heimat es ist noch alles beim alten geblieben. Für heute wünsche ich Euch allen alles Gute u. laßt bitte mal wieder von Euch hören. Herzliche Grüße allen lb. Bekannten bes. auch an Toni.

Sei Du lb. Friedl recht herzlich gegrüßt von Deinem Kätchen. Besorge bitte diese Zeilen zu Kurt.“

Brief von Kätchen Brandner vom 4.Juli 1954 an Friedel Ehrmann in Amerika


„Liebe Friedel!

Es ist nun gar lange Zeit, daß wir uns nicht geschrieben; so will ich's heute doch schnell tun; es fiel mir ein, daß der 9. Dein Geburtstag ist. Zum neuen Lebensjahre meine herzlichsten Glück- Segenswünsche, mögest du noch viele Jahre gesund und wohlbehalten im Kreise Deiner Lb. verbringen. Wie gerne würde ich dir einen Strauß duftender Nelken von Eurem Gärtchen überreichen; wenn die Gladiolen blühen, will ich dir ein Bildchen schicken. So Gott will und wir gesund bleiben, hege ich doch den Wunsch, im nächsten Jahr Deinen Besuch hier erwarten zu dürfen. Riehm wird dann alles schön hergerichtet haben; der Laden und die Werkstatt sind jetzt fertig zum einräumen. Heiner Riehm war 4 Wochen in Bad Tölz b. München gestern ist Er zurückgekommen; Er hat viel vor im Haus; Walter Schilling der Schwiegersohn macht die Pläne. Ich soll dann unten eine Küche u. das hintere Zimmer bekommen, doch bin ich nicht so sehr begeistert dafür, da es kalt ist, wenn die lb. Sonne nicht viel rein scheint; ich bin so froh, daß ich wieder einigermaßen auf dem Posten bin u. raus kann in Garten; ich hab doch m. lb. Freundinnen. Frau Bär kommt viel her und holt mich zum Spaziergang ab; diese Tage wollen wir mal zuu Schillings rauf, das ist noch ein anstrengender Weg für mich. Frieda und Fam. geht es gut, viel Arbeit mit 4 Jungen u. das Mädchen ist leider nicht mehr es wäre 14 Jahre u. könnte manches tun. Großvater war schwer krank, doch ist er sehr zäh von dem guten Wein. Gossenbrunnen hat Geiser gekauft; Er wird ein schönes Gasthaus daraus machen. Was macht Gust? ist Er schon verheiratet? von Hanna habe ich eine Karte bekommen, wie ich daraus vernehme, geht es Ihnen gut; mit ihrem schönen Auto werden Sie Euch oft besuchen. Was macht die Hühnerzucht? da gibt's auch viel Arbeit. Wie geht es Anna? die Kinder sind nun auch erwachsen u. nicht mehr daheim. Ferdinand wird auch überall fehlen; bei mir ist auch so, in allem ist man allein. Hört ihr noch von D... (?)? Wie wirds den Kindern gehn? Von Nußloch soll ich euch grüßen. Renche Lene (?) besuchte mich, es geht ihr gesundheitlich gut u. ist nun 83 Jahre alt. In nächste Zeit gehe ich mal zu das Lenchen u. Mina, Stumpf ist auch an einem Herzschlag mitten in der Arbeit gestorben. Lb. Mina Ehrmann wird wohl von Nußloch erfahren.
Lb. Friedel ich hätte doch gern mal ein Bildchen von Euch; kann mir lieben Charly gar nicht vorstellen, wie groß er wohl schon ist; da ich nie ein Bildchen bekommen habe. Du hast ja nun auch schon paar Enkel! u. hoffe, daß es Euch allen gut geht. Für heute nun will ich Schluß machen u. seid alle recht herzlich gegrüßt.
Dir lb. Friedl nochmals alles Gute u. ein schönes Geburtstagsfest nebst vielen herzlichen Grüßen
D. Kätchen
Laß doch bitte bald von Euch hören, es ist für mich jedes mal ein großer Freudentag.“

Brief von Fritz Schilling vom 6.April 1958 an Friedel Ehrmann in Amerika


„Frau Friedel Ehrmann!

Nicht wenig erstaunt Frau Ehrmann, werden Sie sein von uns heute einen Brief zu erhalten. Die Verbundenheit mit Ihrer Familie, mit Ihren werten Eltern veranlaßt mich diese Zeilen zu schreiben da ich der Annahme bin, daß ich der Berufene bin Ihnen Frau Ehrmann möchte näher treten, dir lieber Friedel heute das Neueste aus der alten Heimat und aber auch etwas Trauriges mitzuteilen. Liebe Kätchen Brandner meine Schwägerin ist ihrer Krankheit unterlegen und verstarb am 24.März 1958. Deinen lieben Brief vom 15.3.58 erreichte sie noch gerade zu den letzten Lebenstagen konnte jedoch sich über die Zeilen nicht mehr erfreuen da ihre Kräfte gebrochen waren und zusehens abnahmen. Am 27.3.1958 legten wir sie in Gottesacker zur letzten Ruhestätte an die Seite Ihres vor Jahren verstorbenen Mannes. Ihre Hauptsorge in den letzten Wochen, als es noch möglich war mit Ihr zu reden gald Ihrem einzigen geliebten Sohn Rudi (?), der in weiter Ferne vermisst ist, und sehr wahrscheinlich auch ein Opfer des unsinnigen Krieges sein wird. Liebe Friedel beim Durchsuchen der Habseligkeiten von Kätchen fanden wir den genannten Brief ... (?) einem Bild ich glaube es ist Kurt welches ich beilege da ich der Meinung bin es könnte für dich eine Jugenderinnerung sein. Ferner erlaube ich mir eine Fotographie beizulegen die Kätchen in der Leichenhalle aufgebahrt wiedergibt. Reichlich mit Blumen und Kränzen bedacht war Ihr Abschied.
Liebe Friedel in letzter Zeit sprach Kätchen mit mir des öfteren von Ihrem Garten der ja noch Euch gehört und bat mich wir sollen uns um das Gärtchen annehmen. Mein lb. Sohn Karl ist Gärtner und hat jetzt ein Blumengeschäft in Leimen eröffnet er wäre gewillt das Gärtchen bis zur eventuellen anderen Verwendung betreuen wenn es dir recht ist. In absehbarer Zeit 1-2 Jahren soll dort eine Straße durchgeführt werden der der Garten zum Opfer fällt. Vielleicht könntest du uns darüber (?) mal schreiben. Von meiner eigenen Familie kann ich zur Zufriedenheit schreiben daß noch alles gesund ist. Nur Vater bald 80 liegt zur Zeit im Bett gegenwärtig wieder etwas besser. Meine Frau (eine Schwester von Kätchen) Frida läßt dich ebenfalls recht freundlich grüßen und wünscht dir mit Deinen Lieben Gesundheit & Wohlergehen.
Nun möchte ich zum Schluß kommen und dir für alle Zukunft Gesundheit und Wohlergehen wünschen und verbleibe in aller Aufrichtigkeit mit den besten Grüßen meiner ganzen Familienglieder
Fritz Schilling

Genaue Anschrift:

Fritz Schilling
Landwirt
Leimen / Heidelberg
Heltenstr. 44“