Mahnmal-Projekt-Leimen Erinnerung und Mahnung
 

Verlauf

Mahnmal-Projekt-Leimen 2009 / 2010

Drei Schülerinnen der Geschwister-Scholl-Schule Leimen-St.Ilgen haben sich im Rahmen der in der neunten Klasse vorgeschriebenen Projektprüfunng als Thema "Die Judenverfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus" ausgewählt.

Nachdem das Thema von der Schulleiterin Frau Stöckermann-Borst am 30.11.2009 genehmigt worden war, überraschten die drei Schülerinnen ihren Klassenlehrer am 11.12.2009 mit der Mitteilung, dass sie Kontakt mit Herrn Jürgen Stude, dem Landesjugendreferenten der Evangelischen Landeskirche Baden aufgenommen haben, weil sie gerne am Ökumenischen Jugendprojekt Mahnmal teilnehmen möchten und er dieses Jugendprojekt landesweit leitet.

Die Schülerinnen baten ihren Klassenlehrer Herrn Delfosse, sie bei diesem Projekt zu unterstützen, was er ohne Zögern zusagte. Wenige Tage danach fand dann am 16.Dezember 2009 das von den Schülerinnen mit Herrn Jürgen Stude vereinbarte Treffen im PC-Raum Haus B der GSS-St.Ilgen statt.


Unmittelbar danach begann im Januar 2010 die Spurensuche nach den jüdischen Mitbürgern, die am 22.Oktober 1940 aus Leimen nach Gurs verschleppt wurden. Die Schülerinnen wandten sich schließlich an Herrn Oberbürgermeister Wolfgang Ernst, dem sie am 24.Februar 2010 ihre ersten Projektergebnisse vorstellten.


Gemeinsam verabredete man, dass die Schülerinnen am 15.Juni 2010 ihr Mahnmal-Projekt der Öffentlichkeit im Leimener Rose-Saal vorstellen sollen. Doch ehe die Informationsveranstaltung im Rosesaal über die Bühne gehen konnte, mussten die drei Schülerinnen ihre Projektprüfung ablegen. Am 29.März 2010 fand im Haus B der GSS-St.Ilgen ihre Präsentation des selbständig erarbeiteten Themas "Judenverfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus" statt, für welche die Schülerinnen die Note "sehr gut" erhielten.


Die drei Schülerinnen sprachen zwar zum Schluss ihrer Projektprüfung auch das Leimener Mahnmal-Projekt an, aber es war schon vorher klar, dass dieses Jugendprojekt die Schülerinnen gewissermaßen als "ehrenamtliches Engagement" weit über die eigentliche Projektprüfung hinaus beschäftigen wird. So setzten die drei Damen nach ihrer Projektprüfung und während ihrer Abschlussprüfung ihre Vorbereitungen für die öffentliche Infoveranstaltung im Rosesaal fort, welche mit folgendem Plakat angekündigt wurde:


Schließlich begann im September 2010 die Anfertigung des ersten Gedenksteines, der von den Schülerinnen unter Anleitung und mit Unterstützung des Leimener Steinmetzes Udo Baumgärtner innerhalb von vier Wochen fertiggestellt wurde.

Die Flammenskulptur fertigte auf Vorschlag der Schülerinnen der Heidelberger Kunstschmied Wolfgang Walter an. Am 17. Oktober 2010 fand dann auf dem Gelände der Tagungsstätte der Evangelischen Jugend in Neckarzimmern im Rahmen einer Gedenkveranstaltung die Steineinweihung statt.



Mahnmal-Projekt-Leimen 2011 / 2012

Gleich nach der Einweihung des Gedenksteines am 17.Oktober 2010 begannen die Schülerinnen noch im November 2010 mit der Bearbeitung des zweiten Gedenksteines, aber der weit aus größte Anteil der Arbeiten fand dann in den Monaten April bis Juli 2011 statt. Anders als beim ersten Stein, der ja innerhalb eines Monats erstellt wurde, ließen sich die Schülerinnen dieses Mal mehr Zeit mit der Bearbeitung.

Während der Bearbeitung des zweiten Gedenksteines erhielt das Mahnmal-Projekt Leimen am 21.Mai 2011 Besuch aus New York von den Nachfahren der 1940 deportierten Leimener Juden. Diese von Herzlichkeit und Dankbarkeit geprägte Begegnung war für die drei Schülerinnen der Höhepunkt ihres Mahnmal-Projektes und eine großartige Bestätigung für ihre Erinnerungsarbeit.


Ein weiteres Großereignis im Jahre 2011 war der Gedenkgottesdienst am 28.August aus Anlass des Israelsonntags, der mit folgendem Infoblatt angekündigt wurde:


Das Jahr 2012 war dann geprägt von einer intensiven Suche nach dem richtigen Aufstellungsort für den Gedenkstein in Leimen. Seit März 2012 beteiligten sich die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden von Leimen und St.Ilgen in einem breit angelegten demokratischen Prozess an dieser Standortsuche, an dessem Ende der Leimener Rathausplatz als idealer Aufstellungsort feststand. Im Juni 2012 wurde über die Kirchengemeinden Herr Oberbürgermeister Wolfgang Ernst über diesen aktuellen Sachstand informiert und gebeten, alles Nötige zu veranlassen, damit die Standortfrage von Seiten der Stadt geklärt werden kann.

Mahnmal-Projekt-Leimen 2013 / 2014

Das Jahr 2012 war dann geprägt von einer intensiven Suche nach dem richtigen Aufstellungsort für den Gedenkstein in Leimen. Seit März 2012 beteiligten sich die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden von Leimen und St.Ilgen in einem breit angelegten demokratischen Prozess an dieser Standortsuche, an dessem Ende der Leimener Rathausplatz als idealer Aufstellungsort feststand. Im Juni 2012 wurde über die Kirchengemeinden Herr Oberbürgermeister Wolfgang Ernst über diesen aktuellen Sachstand informiert und gebeten, alles Nötige zu veranlassen, damit die Standortfrage von Seiten der Stadt geklärt werden kann.


Folgerichtig konnte man dann in der Kurzinformation, die zur öffentlichen Gemeinderatssitzung am 21.März 2013 auslag, u.a. lesen: "Im Einvernehmen mit den beiden Kirchengemeinden und dem mit dem Projekt befassten Lehrer der Geschwister-Scholl-Schule, Herr Martin Delfosse, hat sich der Verwaltungsausschuss einmütig auf den Beschlussvorschlag geeinigt."

In der Sitzung des Gemeinderates der Stadt Leimen am 21.März 2013 wurde dann nach angemessener Beratung mit einer Gegenstimme folgender Beschluss gefasst: "Der Gedenkstein wird zunächst im Foyer des Rathauses aufgestellt. Nach Abschluss der Bauarbeiten am Rathausplatz wird er endgültig im Bereich des Rathausplatzes aufgestellt und in Abstimmung mit dem Gemeinderat ein würdiger Platz gefunden."

Dieser Beschluss kann zusammen mit den Stellungnahmen der Stadträte unter dem Tagesordnungspunkt 8 (Mahnmalprojekt 27/2013) im öffentlichen Protokoll der Gemeinderatssitzung der Stadt Leimen vom 21.März 2013 im Detail nachgelesen werden.

Schließlich machten sich die Schülerinnen im Juni 2013 daran, den Gedenkstein nun gänzlich fertigzustellen, indem sie die noch fehlende gebrochene Weinrebe und die Namen der Orte dem Stein hinzufügten, an denen die Opfer unermessliches Leid bis hin zum gewaltsamen Tod erleiden mussten: GURS, NOÉ und AUSCHWITZ.



Am 75. Jahrestag der Reichspogromnacht, dem 9. November 2013, konnte dann die Einweihung des Mahnmals im Rahmen einer Gedenkfeier im Foyer des Rathauses stattfinden. Die drei Schülerinnen freuten sich sehr, dass die Nachfahren zu diesem Ereignis extra aus Amerika anreisten.


Herr Friedrich Uthe hat dankenswerterweise diese Gedenkfeier auf Video festgehalten:

Zum 74. Jahrestag der Deportation hatte die Stadt Leimen am 21.Oktober 2014 um 18:00 Uhr zu einem kurzen "Stillen Gedenken" eingeladen. Daran nahmen lediglich eine Handvoll Bürgerinnen und Bürger teil. Die Berichterstattung der Rhein-Neckar-Zeitung dazu kann hier eingesehen werden.

Mahnmal-Projekt-Leimen 2015 bis zur Gegenwart

Der 75.Jahrestag der Deportation badischer Juden am 22.10.2015

Hatte die erste Gedenkfeier nach der Einweihung des Mahnmals im Jahr 2014 noch mit etlichen organisatorischen Hemnissen zu kämpfen, was dazu führte, dass zum von der Stadt angekündigten "Stillen Gedenken" nur ganz wenige Personen kamen, so waren auf Initiative der Kirchen 2015 bereits frühzeitig die Planungen eingeleitet worden, um zum 75.Jahrestag der Deportation eine würdige Gedenkfeier ausrichten zu können. Am 24.Juni 2015 trafen sich die kirchlichen Vertreter (Pfarrer Jörg Geißler, Pfarrer Steffen Groß, Pfarrerin Elke Rosemeier, Pfarrer Arul Lourdu) unter Beteiligung von Martin Delfosse als Leiter des Mahnmal-Projektes mit den Vertretern der Stadt Leimen (Oberbürgermeister Wolfgang Ernst, Hauptamtleiter Ralf Berggold, Leiter der Geschäftsstelle des Gemeinderates Michael Ullrich), um über den organisatorischen und inhaltlichen Rahmen des Gedenkens zu sprechen.

Entsprechend dieser im Juni getroffenen Absprachen fand dann am 22.Oktober 2015 um 17:00 Uhr zunächst ein ökumenischer Gottesdienst in der evangelischen Mauritiuskirche statt und anschließend gingen die Besucher schweigend zum Mahnmal im Foyer des Alten Rathauses (siehe auch die Bildergalerie). Dort wurde nach einer kurzen Ansprache durch Oberbürgermeister Wolfgang Ernst ein Grußwort von Familie Ziskind aus New York verlesen, mit dem die Gedenkstunde beendet wurde. Das Grußwort enthielt in Anlehnung an ein Wort des Friedensnobelpreisträgers und Holocaustüberlebenden Elie Wiesel eine Aufforderung zur Menschlichkeit angesichts der heutigen Not der Flüchtlinge aus den Kriesengebieten unserer Erde.



9.November 2016: Gedenken an die Deportation der Jüdinnen und Juden Badens nach Gurs vor 76 Jahren

Auf Initiative von Oberbürgermeister Hans Reinwald fand am 9.November 2016 eine von der Stadt Leimen und den Kirchen gemeinsam geplante Gedenkveranstaltung statt. Zunächst gedachte man der Opfer der Reichsprogromnacht und der Deportation badischer Jüdinnen und Juden nach Gurs mit einer ökumenischen Andacht in der katholischen Kirche, anschließend wurde das Gedenken mit einer Ansprache von Oberbürgermeister Reinwald und dem Verlesen eines Briefes aus dem Lager Noé am Mahnmal fortgesetzt, mit dem insbesondere der jüdischen Opfer aus Leimen gedacht wurde (siehe auch die Bildergalerie).

9.November 2017: Gedenken an die Deportation der Jüdinnen und Juden Badens nach Gurs vor 77 Jahren

Nach einem ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Evangelischen Mauritiuskirche gedachte die Stadt Leimen im Rathausfoyer den Geschehnissen in der Reichspogromnacht im November 1938 und der Deportation der Jüdinnen und Juden Badens nach Gurs im Oktober 1940. Musikalisch umrahmt wurde das Gedenken am 9.November 2017 durch ein Ensemble der Musikschule Leimen mit Flöte und Gitarre unter Leitung von Jürgen Mauter. Zum Schluss des Gedenkens wurde ein Brief der Leimener Deportierten vom 25.05.1941 verlesen.


Zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome am 9. November 2018

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fanden in Deutschland Schändungen und Zerstörungen der jüdischen Gotteshäuser, jüdischen Geschäfte und Wohnungen, sowie der jüdischen Friedhöfe statt. Diese Gewaltereignisse, im Zuge derer viele jüdischen Mitbürger ermordet oder in den Suizid getrieben wurden, waren der Auftakt zur systematischen Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der Juden.

In Leimen bestand zu diesem Zeitpunkt keine Synagoge mehr. Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde wurde die Leimener Synagoge, welche auf dem heutigen Rathausplatz unweit vor dem Gasthaus Krone stand, bereits 1905 abgerissen. Was mussten wohl die in Leimen lebenden jüdischen Mitbürger, Hugo Mayer und seine Frau Karolina, sowie Karoline Bierig und ihre Tochter Selma, in jener Novembernacht vor 80 Jahren erleben? Aus erhalten gebliebenen Briefen aus jener Zeit kann man nur bruchstückhaft ihr Gefühl der Angst und Verzweiflung herauslesen und ihr Streben, dass zumindest ihre Kinder noch in Sicherheit gelangen können.

Am 22. Oktober 1940 wurden die Leimener Juden schließlich in das südfranzösische Lager Gurs deportiert und bald darauf in Auschwitz ermordet. Ein Gedenkstein, der nach dem Beschluss des Gemeinderates vom 21. März 2013 vorläufig im Alten Rathaus steht, bis er am endgültigen Standort auf dem Rathausplatz aufgestellt werden kann, soll die Erinnerung daran als Mahnung in Leimen wachhalten.

Wegen der Sanierung des Alten Rathauses wird in Absprache mit Oberbürgermeister Hans D. Reinwald dieses Jahr keine Gedenkveranstaltung am Mahnmal stattfinden, aber im Jahr 2020, in dem sich die Deportation zum 80. Mal jährt, wird es wieder ein offizielles Gedenken am Mahnmal geben.

Was trieb einen in Leimen geborenen und hier auch verstorbenen Bürger dazu, am 22. Oktober 1940 den Rohrbacher Juden und Nudelfabrikanten Siegmund Beer auf dem Heidelberger Marktplatz, auf dem sich die Juden aus der Region zum Abtransport versammeln mussten, beim Aufsteigen auf den Lastwagen heftig ins Gesicht zu schlagen und ihn in seiner wehrlosen Situation körperlich und seelisch schwer zu verletzen? Die Urteilsbegründung der Strafkammer des Landgerichts Heidelberg von 1947 spricht hier von einer „gemeinen und verwerflichen Gesinnung“.

Angesichts der heutigen fremdenfeindlichen Übergriffe verbaler und gewalttätiger Art in Deutschland sind wir erschrocken über das Ausmaß solcher "gemeinen Gesinnungen", welche das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen gefährden. Nie wieder darf es in Deutschland geschehen, dass sich Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Hautfarbe oder ihres Andersseins ängstigen müssen.