Mahnmal-Projekt-Leimen Erinnerung und Mahnung
 

Beschreibung

Projektbeschreibung

Das ökumenische Jugendprojekt Mahnmal für die am 22. Oktober 1940 deportierten badischen Jüdinnen und Juden beinhaltet kurzgefasst, dass sich Jugendliche aus Baden mit den Schicksalen der Juden ihres Heimatortes auseinandersetzen und ihre Erkenntnisse in die Gestaltung zweier Gedenksteine einfließen, die in ihren Heimatgemeinden und auf dem zentralen Mahnmal auf dem Gelände der Tagungsstätte der evangelische Jugend Neckarzimmern aufgestellt werden. Hierzu sollen sich die Jugendlichen vor Ort auf Spurensuche begeben und in Archiven oder durch Gespräche mit Zeitzeugen herausfinden, wie und wo Juden vor Ort lebten, wie sich die Gesellschaft ihnen gegenüber verhalten hat und wie die politischen Veränderungen ihr Leben beeinflusste. Die Rechercheergebnisse sollten nach Möglichkeit der Öffentlichkeit präsentiert und in geeigneter Weise dokumentiert werden.

Hintergrundinformation

Am 22. Oktober 1940 wurden die Juden Badens im Rahmen einer landesweiten Abschiebeaktion, die von den NS-Gauleitern von Baden und der Pfalz Robert Wagner und Josef Bürckel mit Kenntnis von Hitler, Himmler und Heydrich veranlasst wurde, gewaltsam nach Südwestfrankreich in das am Rand der Pyrenäen gelegene Lager Gurs verschleppt. Die Opfer der Deportation (insgesamt über 5 600 Personen aus Baden und ca. 400 aus dem Saarland und der Pfalz) mussten an einem jüdische Feiertag des Laubhüttenfestes meist innerhalb von zwei Stunden ihre Sachen packen. Der Transport wurde mit Sonderzügen der Reichsbahn bewerkstelligt, die in Südbaden den Rhein überquerten und von den französichen Behörden nach Gurs weitergeleitet wurden. Das „Camp de Gurs“ bestand aus ca. 380 Baracken, die weder sanitäre Anlagen noch Trennwände und verglaste Fenster hatten. Es fehlte an Nahrung, Medizin und Kleidung. Zu der bitteren Kälte kam noch eine Ruhrepidemie, die Hunderten von Menschen das Leben kostete. Gurs war kein Vernichtungslager wie Auschwitz oder Treblinka. Einige der Deportierten wurden ab Februar 1941 in kleinere Nebenlager verlegt. Familien mit Kindern wurden zusammengeführt und im Lager Rivesaltes bei Perpignan untergebracht. Alte Menschen kamen in der Regel in das bei Toulouse gelegene Lager Noé, zum Teil aber auch in Alternheime. Ein Teil der Deportierten konnte sich durch Flucht retten, doch für die meisten von ihnen bedeutete Gurs eine Zwischenstation auf ihrem Leidensweg. Ab März 1942 veranlasste das Judenreferat der Gestapo in Frankreich die Deportation aller in Frankreich lebenden Juden. In verplomten Viehwagen wurden die Juden über das Sammellager Drancy bei Paris durch ihre alte Heimat transportiert, ehe man sie meist noch am Tag ihrer Ankunft in Auschwitz oder anderen Todeslagern ermordete.

Zentrales Mahnmal Neckarzimmern

Seit 2005 befindet sich auf dem Gelände der Tagungsstätte der Evangelischen Jugend Baden in Neckarzimmern eine zentrale Gedenkstätte für die am 22.10.1940 aus Baden deportierten Juden. Auf einem im abfälligen Gelände eingelassenen Davidstern aus Beton werden nach und nach die Memorialsteine aus den 137 Deportationsorten aufgestellt. Das Gelände ist frei zugänglich und bietet den Nachfahren der deportierten Juden die Möglichkeit ihrer Familienangehörigen, die nicht selten aus mehreren Orten Badens deportiert wurden, an zentraler Stelle zu gedenken. Das Gelände ist gleichzeitig ein Ort der Begegnung von Jugendlichen und lädt ein für Freizeitaktivitäten vielfältiger Art. Der Davidstern mit seinen in Stein gehauenen Erinnerungen an die deportierten Juden Badens regt die Jugendlichen an, sich mit diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte auseinanderzusetzen. Die Vielfalt der ganz unterschiedlich gestalteten Gedenksteine ist geradezu ein Sinnbild für gegenseitige Achtung und Toleranz, sowie ein Mahnmal gegen Fremdenhass, Ausgrenzung und Rassismus. Der Gedenkstein aus Leimen ist seit Oktober 2010, dem 70.Jahrestag der Deportation, Teil dieses zentralen Mahnmals. Folgende zwei Fotos vom August 2013 zeigen das zentrale Mahnmal im Ganzen und einen Ausschnitt mit dem Stein aus Leimen:

Spurensuche

Von Herrn Jürgen Studte bekamen die Schülerinnen als ersten Anhaltspunkt für die weitere Recherche einen Auszug aus dem Verzeichnis der am 22.Oktober 1940 aus Baden ausgewiesenen Juden, das damals von den Nationalsozialisten angelegt wurde. Darin befanden sich auch die Angaben zu den deportierten Juden aus Leimen:


Die digitalisierte Ausgabe dieses Verzeichnisses kann auf der Internetpräsenz der Badischen Landesbibliothek online gelesen oder als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Am 20.Januar 2010 wandten wir uns an das Stadtarchiv Leimen und stellten folgende Fragen:
  • Gibt es noch Unterlagen, in denen der Vorgang der Deportation am 22./23. Oktober 1940 in irgendeiner Weise dokumentiert worden ist? (Protokolle oder ähnliches?)
  • Welche Personen haben zu dem damaligen Zeitpunkt die Geschicke der Gemeinde Leimen geführt?
  • Gibt es von diesen Personen, die im Jahre 1940 Verantwortung getragen haben, noch Nachfahren, die wir gewissermaßen als "Zeitzeugen" befragen könnten?
  • Gibt es aus dieser Zeit zwischen den Jahren 1933 und 1945 Bildmaterial zum Ort Leimen?
  • Gibt es Unterlagen über die Einrichtung des Hugo-Mayer-Platzes in St.Ilgen? (Protokolle und Beschlüsse des Gemeinderates?)
Leider haben wir trotz beharrlichem Nachfragen und Insistieren keinerlei Antworten oder Dokumente zu unseren Fragen erhalten. Uns wurden lediglich allgemein zugängliche Unterlagen zur Geschichte der Juden in der Kurpfalz und ähnliches überreicht.

In der Zwischenzeit hatten wir auf der Internetseite von Yad Vashem, der Behörde zum Gedenken an die Märtyrer und Helden des Holocaust in Israel, in der zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer die Namen von Hugo und Karolina Mayer und die von ihrer Tochter Friedel hinterlassenen Gedenkblätter gefunden:


Mit diesen Angaben zum Wohnort der Tochter von Hugo und Karolina Mayer, Friedel Ehrmann, in den USA fanden wir dann über weitere Recherchen im Internet die Kontaktdaten zu den noch lebenden Nachfahren. Am Holocaustgedenktag, den 27.Januar 2010 riefen wir schließlich in Amerika an. Dankenswerterweise war die Englischlehrerin Frau Claudia Knapp bereit, dieses Gespräch in perfektem Englisch für uns zu führen. Wir hörten gebannt zu und konnten erleben, mit welcher Freude und Dankbarkeit, dass in Leimen an die Mayers und Bierigs erinnert werden soll, unser Anruf in Amerika aufgenommnen wurde. Am Telefon in den USA war die über 80-jährige Charlotte Ehrmann, die Schwiegertochter von Friedel Ehrmann. Sie vermittelte uns den Kontakt zu ihrer Tochter Linda Ehrmann-Ziskind in New York, die im Besitz aller Familiendokumente ist. Bald nach diesem Telefongespräch verschickten wir per Mail dieses Foto, mit dem wir uns und unser Mahnmal-Projekt den Nachfahren vorstellten:


In der Folgezeit entwickelte sich in den Monaten Februar und März 2010 ein reger eMail-Kontakt, in dem wir etliche Informationen erhielten. Auch die Briefe von Hugo und Karolina Mayer aus den Lagern Gurs und Noé und weitere Dokumente erhielten wir auf diesem Wege als PDF-Dateien. Damit waren wir nicht mehr auf Informationen aus dem Stadtarchiv angewiesen und konnten mit den Vorbereitungen für die öffentliche Präsentation der Rechercheergebnisse beginnen.

Teil dieser Vorbereitungen war es auch, uns über das jüdische Leben in Leimen vor der Zeit des Nationalsozialismus zu informieren. Hierzu fanden wir heraus, dass es in Leimen eine Synagoge gab. In folgendem Stadtplan von 1861 ist auf dem Rathausplatz eine Synagoge verzeichnet:


Noch im Jahre 1780 lebten in Leimen 82 Juden. Danach gab es einen ständigen Rückgang der Anzahl jüdischer Mitbürger in Leimen wegen der Abwanderung nach Mannheim und Übersiedlung der Familie Seligmann nach München. Die jüdische Gemeinde in Leimen wurde schließlich am 20.März 1905 aufgelöst und die Synagoge für 8000 Mark an die politische Gemeinde verkauft und abgerissen. Weitere Angaben zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Leimen finden sich auf den Seiten der Alemannia-Judaica, woraus diese kurze Darstellung entnommen ist.

Folgendes Foto wurde im Jahre 1905 aufgenommen. Es zeigt den Leimener Rathaus-Vorplatz, genauer gesagt den Platz vor dem heutigen Gasthaus Krone. Vor dem Gasthaus Krone standen drei Gebäude, darunter auch die jüdische Synagoge. Auf diesem Bild sieht man einen Teil der Abbrucharbeiten. Das Gasthaus Krone hat hier noch ein normales Giebeldach.